Wachstumspotenzial: Der rezeptfreie Markt im Fokus

Welche Optionen der Wechsel vom rezeptpflichtigen auf den rezeptfreien Medikamentenmarkt für Pharmaunternehmen ergibt, darüber diskutierten Experten des Gesundheitswesens.

Wien (OTS) Hohe Entwicklungskosten, strenge Regularien und ein massiver Preisdruck sind Gründe, weshalb ein pharmazeutisches Unternehmen ein rezeptpflichtiges Arzneimittel in den rezeptfreien Over-The-Counter-Markt (kurz OTC) überführt. Welche Chancen, Möglichkeiten und Hindernisse mit einem solchen „OTC-Switch“ verbunden sind, darüber diskutierten Experten des Gesundheitswesens im Rahmen der Pharmig Academy Fachtagung in Wien.

„OTC-Arzneimittel machen 40 Prozent des gesamten rezeptfreien Angebotes in der Apotheke aus. Das ist ein konstanter Markt, der darüber hinaus noch Wachstumspotenzial hat“, beschreibt Mag. Ursula Scheithauer, CEO der Insight Health GmbH & CO KG in Österreich die aktuelle Situation. Den größten Anteil am gesamten OTC-Arzneimittelmarkt bilden dabei Produkte zur Prävention, wie etwa Vitamine, Mineralien und Nahrungsergänzungen. Europaweit beläuft sich dieser Anteil auf 23,6 Prozent, in Österreich sogar auf 31,5 Prozent. An zweiter Stelle des rezeptfreien Angebotes stehen Arzneimittel zur Behandlung von Erkältungen. Hier liegt der EU-Schnitt bei 22,2 Prozent, in Österreich sind es 20,6 Prozent. „Der OTC-Markt würde also noch einige Möglichkeiten für pharmazeutische Unternehmen bieten, die einen Wechsel von rezeptpflichtigen zu rezeptfreien Arzneimitteln planen“, sagt Scheithauer.

„OTC-Switches sind in Österreich selten. Bei der Verfügbarkeit von frei verkäuflichen Substanzen gehören wir zu den Schlusslichtern der EU. Österreich verhält sich derzeit eher konservativ und könnte von mehr Liberalisierung profitieren. Anhand der vorliegenden Daten schätzen wir, dass bis zu 50 Switches möglich wären“, sagt Dr. Christoph Baumgärtel von der AGES Medizinmarktaufsicht. Dies bestätigt auch Dr. Gerhard Lötsch, Präsident der IGEPHA: „Die Patienten nehmen ihre Gesundheit selbst in die Hand und entlasten das stark beanspruchte Gesundheitssystem. Das geschieht vor allem durch die Anwendung von OTC-Produkten. Außerdem stärkt es die Beraterrolle der Apotheker.“

Laut Univ.-Doz. Dr. Reinhard Länger vom Institut für Zulassung der AGES Medizinmarktaufsicht stellen OTC-Produkte eine große Herausforderung für Unternehmer und Gutachter dar. Speziell Fach- und Gebrauchsinformation müssen sorgsam erarbeitet werden, damit diese Arzneimittel beispielsweise bei einer Selbstdiagnose sicher angewendet werden können und Patienten, bei Arzneimitteln für Kinder betrifft es die Eltern, rechtzeitig auf Symptome hingewiesen werden, die eine ärztliche Intervention erfordern. Anhand von Beispielen aus der Praxis wurden Lösungsmöglichkeiten vorgestellt. In Österreich ist die überwiegende Mehrheit der pflanzlichen Arzneimittel zwar rezeptfrei, dafür aber apothekenpflichtig eingestuft. Die damit gesicherte Beratung in der Apotheke fehlt für diese Arzneimittelkategorie aufgrund alternativer Vertriebswege in zahlreichen anderen EU-Mitgliedsstaaten. Dies macht eine Harmonisierung, wie sie etwa mit den EU-Monographien der Europäischen Arzneimittelbehörde angestrebt wird, zu einer großen Herausforderung.

MMag. Albert Dorninger, Head of Scientific Services bei Austroplant Arzneimittel GmbH / Dr. Peithner KG, ergänzt: „Im Vergleich zum Lebensmittelbereich unterliegt die pharmazeutische Industrie strengen Regeln und hohen Anforderungen. Um Nebenwirkungen rechtzeitig zu erkennen, gibt es die verpflichtende Pharmakovigilanz.“ Daher habe die Produktinformation einen hohen Stellenwert. Fachliche Beratung sei verpflichtend.

„Apotheken sind darauf spezialisiert ihre Kunden ausführlich zu beraten. In Österreich stellen 1.400 Apotheken eine flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln zu jeder Tages- und Nachtzeit sicher“, erklärt Mag. pharm. Robert Welzel, Vertreter der Österreichischen Apothekerkammer. Eine Abgabe in Drogeriemärkten ist für Welzel verantwortungslos. Der kritische Umgang mit Medikamenten und die fachkundige Beratung durch Apotheker ist für die Gesundheit der Patienten wesentlich.

Im Zusammenhang mit alternativen Distributionskanälen verweist Dr. Karsten Schlemm, Geschäftsführer von Merz Pharma Austria, auf die nutzerfreundliche Auffindbarkeit von OTC-Arzneimitteln: „Wir müssen mit unseren Produkten online, schnell und einfach gefunden werden. Das muss Drogeriemärkte bei bestimmten Produktgruppen nicht unbedingt ausschließen.“

Mag. Christoph Splichal bietet zusätzlich zu seiner niedergelassenen Apotheke eine Versandmöglichkeit über das Internet an. Das eröffnet ihm völlig neue Möglichkeiten im OTC-Bereich. „Der Kunde kauft im Internet, weil er einen Preisvorteil erwartet. Daher muss man bedenken, dass beim Onlinehandel mit OTC-Produkten auch die Gewinnspanne geringer ist. Gleichzeitig steigt aber der Aufwand für Marketing und Werbung“, erklärt Splichal. Interessant sei auch, dass manche OTC-Produkte seines Sortiments online häufiger gekauft werden als im Geschäft. Die Lagerung und Logistik in Apothekenräumlichkeiten gestalten sich aber als schwierig.

„Einen starken Großhandel gibt es in Österreich nur mit starken Apotheken“, sagt Dr. Monika Vögele vom Verband der österreichischen Arzneimittel-Vollgroßhändler PHAGO, und fügt hinzu: „Es handelt sich um ein bewährtes System. Der Großhandel kümmert sich um die Planung, Abwicklung und Auslieferung von mehreren Millionen Arzneimitteln, die jeden Monat in die Apotheken geliefert werden müssen.“

Die Moderation der Pharmig Academy-Fachtagung übernahm Mag. Martin Peithner, Pharmazeut, Apotheker in der sechsten Generation und langjährige Führungskraft in der pharmazeutischen Industrie.

Über die Pharmig Academy: Die Pharmig Academy ist das Aus- und Weiterbildungsinstitut der Pharmig, des Verbands der pharmazeutischen Industrie Österreichs. Sie bietet Seminare, Lehrgänge und Trainings zu allen Themen des Gesundheitswesens. Das Angebot orientiert sich an aktuellen Entwicklungen und richtet sich an alle, die Interesse am Gesundheitsbereich haben bzw. darin tätig sind. Das Format der Pharmig Academy-Fachtagung ermöglicht den Wissenstransfer spezieller Themen, die von mehreren Fachexperten behandelt und in anschließender Diskussionsrunde erläutert werden.

Über die Pharmig: Die Pharmig ist die freiwillige Interessenvertretung der österreichischen Pharmaindustrie. Derzeit hat der Verband 120 Mitglieder (Stand Oktober 2018), die den Medikamenten-Markt zu gut 95 Prozent abdecken. Die Pharmig und ihre Mitgliedsfirmen stehen für eine bestmögliche Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln im Gesundheitswesen und sichern durch Qualität und Innovation den gesellschaftlichen und medizinischen Fortschritt.

Rückfragen & Kontakt:

Pharmig – Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs
Peter Richter, BA, MA
Head of Communication & PR
01/40 60 290-20
peter.richter@pharmig.at
www.pharmig.at



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