VIRUS gratuliert Protect zum Erfolg vor dem Europäischen Gerichtshof | VIRUS

Regierungspläne wollen Parteienrechte innerhalb des Verfahrens einschränken

Wien (OTS) - Die Umweltorganisation VIRUS zeigt sich erfreut über die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C‑664/15 "Protect gegen BH Gmünd". "Zuallererst ist den KollegInnen von Protect dafür zu gratulieren, dass sie den mühevollen Weg bis zum EuGH erfolgreich beschritten haben. Das Ergebnis überrascht uns nicht, da der EuGH mittlerweile eine konsistente Judikaturlinie verfolgt, Umweltorganisationen ist in Umweltverfahren Parteistellung und Rechtsmittelbefugnis zu gewähren, auch wenn keine UVP durchgeführt wird," so Sprecher Wolfgang Rehm.

 

EuGH setzt Europarecht durch

Grundlage sei die von der EU insgesamt aber auch von Österreich ratifizierte UN-Arhus-Konvention. Der EUGH sorge dort für Rechtsdurchsetzung, wo Europäische Richtlinien betroffen sind. Dementsprechend sei für die Gültigkeit auch Inkrafttreten und Umsetzungsfrist für die entsprechende Richtlinien maßgeblich. "Die langjährige österreichische Praxis bei der Umsetzung einen Bummelstreik hinzulegen und dann die Flucht vor dem Vertragsverletzungsverfahren per legislativem Reparaturversuch in Kleinstschritten jeweils mit einer neuen Umsetzungsfrist zu versehen ist ebenfalls europarechswidrig, hier hat der nationale Gesetzgeber keinen Spielraum" so Rehm. Es sei also selbstverständlich, dass die nun getroffene EUGH- Entscheidung nicht nur für neue Verfahren gelte.

 

Rechtsunsicherheit durch fehlende Arhus-Compliance

Die dadurch entstandene Rechtsunsicherheit habe sich die Republik Österreich selbst zuzuschreiben. Bereits 2014 wurde sie von der Aarhus Vertragsstaatenkonferenz verurteilt und hat der damals zuständige Minister Rupprechter rasche Besserung gelobt, die an der Verweigerungshaltung der Bundesregierung insgesamt und der Länder gescheitert ist. Mangels Fortschritten wurde bei der nächsten Vertragsstaatenkonfernenz 2017 die Entscheidung von 2014 bestätigt. Österreich befinde sich daher seit langem mit "Arhus-Sündern" wie Kasachstan und Turkmenistan im selben Boot. Um Aarhus Compliance herzustellen müssten nationale Umweltgesetze angepasst werden. Europäische Kommission und EUGH würden mit Vertragsverletzungsverfahren und bindenden Entscheidungen dort den Druck erhöhen wo Unionsrecht betroffen ist. "Anstatt einer gesetzlichen Regelung, wie sie auch von Wirtschaftsanwälten die Projektwerber vertreten, immer wieder gefordert wird, hat der jahrelange aussichtlose Versuch, die Tür zuzuhalten, nichts anderes bewirkt als allseitige Mühen und fehlende Rechtssicherheit", so Rehm.

 

Bundesministerin Köstinger möge in Ruhe und mit Sorgfalt prüfen

Es sei weise von der neuen Umweltministerin, nicht bereits kurz nach Amtsantritt eine rasche ad hoc Stellungnahme abzugeben. "Frau Köstinger möge sich bitte Zeit lassen, die Sachlage ordentlich zu prüfen und sich in Ruhe ein Bild von der Sache machen, damit ist Umwelt und Wirtschaft besser gedient als es sonst mit Schnellschüssen der Fall wäre", so Rehm. Die Stellungnahme der Presseabteilung ihres Ressorts, es müssten österreichische Gerichte entscheiden, erinnere aber an die bisherige Praxis des Mauerns, bei der Höchstgerichte bei immer wieder assistiert hatten und gehe an der Sachlage vorbei. Denn jetzt liege ein österreichischer Fall vor, den der österreichische Verwaltungsgerichtshof zur Vorabentscheidung dem EuGH vorgelegt habe um europarechtliche Fragestellungen klären zu lassen. Nun da die Beantwortung vorliege, werde der VwGH diese nicht einfach wie offenbar von manchen gewünscht, ignorieren können. "Für ein ehrliches und ordentliches Arhus-Anpassungsgesetz ist es dennoch noch nicht zu spät," empfiehlt Rehm.

 

Parteienkreis und Ausgestaltung der Parteienrechte ist nicht dasselbe

Festzustellen sei auch, dass das neue Regierungsübereinkommen Pläne enthalte, Parteienrechte einzuschränken. "Die von Ö1 im heutigen Morgenjournal kommunizierte Einschätzung die EuGH-Entscheidung würde diese Pläne torpedieren geht an der Sachlage vorbei", so Rehm. Zwar stehe außer Zweifel dass es genügend Interessensgruppen gebe, die Umweltorganisationen aus allen Verfahren entfernt haben wollten. Nachdem die Arhus Konvention aber auch eine Anerkennung dafür sei, dass diese im öffentlichen Interesse der Ereichung und Sicherstellung eines hohen Umweltschutznivaus handeln, ist deren Parteistellung nach europäischem und internationalem Recht verpflichtend. "Im Unterschied zu Österreich sind Umweltschutzbestimmungen auf europäischer Ebene nicht nur im Bedarfsfall ignorierter Gegenstand von Sonntagsreden sondern werden ernst genommen und durchgesetzt. Will man dies ändern, müsste entweder Österreich aus der EU austreten oder versuchen, einen Kurs der Ignoranz á la Visegrad-Staaten einschlagen. Beides ist weder als wirtschaftsfördernde Strategie zu verkaufen, noch mit den Vorgaben des Bundespräsidenten an die neue Regierung vereinbar." kritisiert Rehm

 

Falsches Narrativ: Echte Verfahrensbeschleunigung geht ganz anders

Der Plan des Bundesregierung ziele aber nicht darauf ab, den Parteienkreis einzuschränken, sondern die Parteienrechte im Verwaltungsverfahren generell. "Ein Konflikt mit den verfassungsmäßig gewährleisteten Rechten auf ein faires Verfahren, dem Effektivitätsgebot und damit die nächste Pleite wäre für diesen Fall vorprogrammiert, die Regierung soll sich derartige Schritte gut überlegen", so Rehm. Aufzubrechen sei aber jedenfalls das Narrativ, dass Verfahrensbeschleunigung über Einschränkung der Parteienrechte funktionieren würde. Der gegenständliche Fall von Protect hätte  ohne die jetzt überwundene Abwehrhaltung schon lange entschieden werden können. Nicht selten ginge es in derartigen Verfahren auch lediglich darum, zusätzliche oder verbesserte Auflagen vorzuschreiben und nicht um Sein oder Nichtsein für ein Projekt. "Der Schlüssel zu echter Verfahrensbeschleunigung sind Engpässe bei knappen und knapper werdenden Behörden- und Sachverständigenkapazitäten und eingereichte Projekte, die so schlecht ausgeführt sind, dass sie auch ohne Parteienmitwirkung jahrelang in einer endlosen Schleife aus Verbesserungen und Überprüfungen festhängen", erläutert Rehm Gemeinsam mit "Intensivpatienten", die nicht genehmigungsfähig und begründet aber unbedingt politisch gewünscht seien, und daher am Leben erhalten würden, belasteten diese die ohnehin knappen Personalreserven über Gebühr. "Hier ist also der Ansatzpunkt, bei dem ohne die Verfahrensparteien zu schikanieren viel zu holen ist", so Rehm abschließend.

Rückfragen & Kontakt:

Wolfgang Rehm, 0699/12419913, virus.umweltbureau@wuk.at



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