Verfassungsausschuss billigt weiteres Datenschutz-Anpassungsgesetz | Pressedienst der Parlamentsdirektion – Parlamentskorrespondenz, 09.05.2018

Grundsatz „Beraten statt strafen“ soll im Verwaltungsstrafrecht forciert werden

Wien (PK) Zwei Gesetzespakete zur Anpassung dutzender Materiengesetze an die neuen EU-Vorgaben in Sachen Datenschutz hat das Parlament bereits beschlossen, nun liegt den Abgeordneten ein weiteres Paket zur Abstimmung vor. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat heute grünes Licht für die dritte von der Regierung vorgelegten Sammelnovelle gegeben. Insgesamt umfasst das Paket 103 Gesetzesnovellen, vorrangig betroffen sind dieses Mal die Bereiche Gesundheit, Finanzen und Verkehr. Außerdem müssen einige Gesetze aus dem Zuständigkeitsbereich des Außenministeriums und des Sportministeriums adaptiert werden. Der Beschluss erfolgte – unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags insbesondere zum Anti-Doping-Gesetz – mit den Stimmen der Koalitionsparteien. Die Opposition kritisierte vor allem, dass das Gesetzespaket auch zahlreiche Bestimmungen enthält, die nichts mit dem Datenschutz zu tun haben.

Konkret wird das Gesetzespaket (108 d.B.) etwa auch dazu genutzt, um neuen EU-Vorgaben im Finanzmarktbereich sowie diversen Erfahrungen in der Vollzugspraxis Rechnung zu tragen. So werden – in Reaktion auf den Pflegeskandal in Kirchstetten – neue Informationspflichten der Staatsanwaltschaften über eingeleitete bzw. abgeschlossene Strafverfahren gegen Angehörige von Gesundheits- und Pflegeberufen normiert. Im Banken-Insolvenzrecht wird es einen neuen „nicht bevorrechtigten“ Schuldtitel als Unterkategorie der unbesicherten vorrangigen Schuldtitel geben. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) erhält in Zusammenhang mit dem neuen EU-weiten Rechtsrahmen für Geldmarktfonds Sanktionsbefugnisse. Diverse Erleichterungen sind für Immobilienspezialfonds vorgesehen (siehe auch Parlamentskorrespondenz Nr. 481/2018).

Auf Initiative der Koalitionsparteien fasste der Ausschuss außerdem mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ, NEOS und Liste Pilze eine Entschließung, die darauf abzielt, den Grundsatz „Beraten statt strafen“ im Verwaltungsstrafrecht zu forcieren. Die Regierungsmitglieder sind demnach zunächst aufgefordert, sämtliche Verwaltungsstraftatbestände in ihrem Zuständigkeitsbereich dahingehend zu prüfen, ob sie für die Anwendung dieses Grundsatzes in Frage kommen. Danach soll Justiz- und Reformminister Josef Moser ein entsprechendes Sammelgesetz vorlegen.

Begründet wird die Initiative damit, dass Beratungen bzw. Verwarnungen oftmals effektiver seien als Strafen. Zudem machten Sanktionen wenig Sinn, wenn als geringfügig einzustufenden Rechtsverstößen eine unverhältnismäßig hohe Strafe gegenüberstehe. Die SPÖ ist allerdings skeptisch, zudem verwies sie darauf, dass die Regierungsparteien beim Schulschwänzen genau den gegenteiligen Weg eingeschlagen haben. Wie in den Erläuterungen zum Antrag ausgeführt wird, kommt der Grundsatz „Beraten statt strafen“ schon jetzt in einigen Bereichen zur Anwendung, etwa im Arbeitsinspektionsgesetz, im E-Commerce-Gesetz und in Teilen der Gewerbeordnung.

Gesetzespaket droht Rückverweisung an den Ausschuss

Ein Gutteil der Debatte im Ausschuss drehte sich darum, dass das Gesetzespaket zahlreiche „datenschutzfremde“ Bestimmungen enthält. So äußerte sich etwa Ausschussvorsitzender Peter Wittmann (SPÖ) empört darüber, dass keine einzige Bestimmung in der Immobilien-Investmentfondsgesetz-Novelle auf die Datenschutz-Grundverordnung Bezug nimmt. Man habe dem Verfassungsausschuss Materien „untergejubelt“, die eigentlich in den Finanzausschuss gehörten. Das sei eine unübliche Vorgangsweise und ein Missbrauch des Ausschusses. Wittmann zufolge kommt es etwa zu Veränderungen in der Frage der Mündelsicherheit.

In die gleiche Stoßrichtung zielte auch die Kritik von Alfred Noll (PILZ). Im Sammelgesetz würden sich zuhauf Bestimmungen finden, die nichts mit dem Datenschutz zu tun haben, beklagte er. Jedes dritte Gesetz sei betroffen. So würde etwa im Sanierungs- und Abwicklungsgesetz die Insolvenzrangfolge bei Bankenabwicklungen geändert. Auch die Abgeordneten Thomas Drozda, Johannes Jarolim (beide SPÖ) und Nikolaus Scherak (NEOS) werteten die Vorgangsweise als befremdlich.

Da auch der für Datenschutz zuständige Justizminister Josef Moser wenig zur Aufklärung der angesprochenen Sachverhalte beitragen konnte, einigten sich die Abgeordneten schließlich darauf, die betroffenen Ministerien aufzufordern, den Abgeordneten bis Montagmittag eine Übersicht zu übermitteln. Darin sollen all jene Gesetzesänderungen angeführt werden, die in keinem Zusammenhang mit dem Datenschutz stehen. Sollten diese dem Auftrag nicht nachkommen, wollen die Fraktionen das Gesetzespaket zur nochmaligen Beratung an den Ausschuss rückverweisen. Moser sagte zu, das Anliegen an seine RegierungskollegInnen zu übermitteln.

Die geplanten Änderungen im Investmentfondsgesetz sind laut einem Vertreter des Finanzministeriums einer Begutachtung unterzogen worden. Die Aufnahme der Bestimmungen in die Sammelnovelle begründete er damit, dass entsprechende EU-Vorgaben bis zum Juli umgesetzt werden müssen. Sammelgesetze seien nie erfreulich, sagte ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl, sie würden manchmal aber aus verschiedenen Gründen benötigt.

Sammelnovelle macht mehr als 100 Gesetze datenschutzrechtlich wasserdicht

Was die Anpassungen an das neue Datenschutzrecht betrifft, wird mit dem Gesetzespaket u.a. sichergestellt, dass Angehörige der Gesundheits- und Pflegeberufe sowie die einschlägigen Berufsvertretungen weiterhin notwendige Dokumentationen und Aufzeichnungen führen können. Das betrifft die Pflegedokumentation ebenso wie etwa Ärztelisten oder Ordinationssperren. Außerdem müssen die Bestimmungen über die Haushaltsführung des Bundes, die Transparenzdatenbank und das Führerscheinregister datenschutzrechtlich wasserdicht gemacht werden. Änderungen im Patentgesetz sollen die Fortführung des uneingeschränkt einsehbaren Patentregisters gewährleisten. Im Zuständigkeitsbereich des Außenministeriums wird u.a. die gemeinsame Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Integrationsfonds, das AMS und die für die Grundversorgung von Flüchtlingen zuständigen Behörden geregelt. Grundsätzlich reicht die Palette der betroffenen Gesetze vom Entwicklungszusammenarbeitsgesetz bis zum Musterschutzgesetz.

Ergänzend zur Regierungsvorlage schlägt der Ausschuss außerdem – mit ÖVP-FPÖ-NEOS-Mehrheit – eine Novellierung des Gesetzes über die Gründung einer Bundespensionskasse vor. Auch dieses Gesetz muss an die DSVGO angepasst werden und wurde in der Sammelnovelle vergessen, wie ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl im Ausschuss erklärte.

Mit dem von FPÖ und ÖVP eingebrachten und bei der Abstimmung mitberücksichtigen Abänderungsantrag wurden, abseits redaktioneller Korrekturen, insbesondere die Datenschutz-Bestimmungen im Anti-Doping-Bundesgesetz präzisiert. Im Wesentlichen geht es um Auskunfts-, Berichtigungs- und Löschungsrechte von SportlerInnen im Zusammenhang mit Dopingkontrollen. Es gelte, internationale Standards bei den Kontrollen sicherzustellen, unterstrich Werner Herbert (FPÖ). Die vorgesehene zehnjährige Aufbewahrungspflicht von Dopingproben und -daten begründeten er und ein Vertreter des Sportministeriums gegenüber SPÖ-Abgeordnetem Wittmann damit, dass dies dem geltenden Recht entspreche und sich mit der Aufbewahrungsfrist für Förderunterlagen decke.

NEOS halten Bestimmungen im Gesundheitsbereich für europarechtswidrig

Kritik an der äußerst kurzen Begutachtungsfrist übte Nikolaus Scherak (NEOS). Er hält den pauschalen Ausschluss von Widerspruchs- und anderen Betroffenenrechten im Gesundheitsbereich außerdem für europarechtswidrig. Diese Pauschalierung sei nicht durch die Datenschutz-Grundverordnung gedeckt, das sehe auch die Datenschutzbehörde so. Zielführender wären seiner Meinung nach Ausnahmen vom Verarbeitungsverbot gewesen.

Wie eine Vertreterin des Gesundheitsministeriums erklärte, geht es insbesondere um notwendige Dokumentationen, etwa von Krankengeschichten. Betroffene sollen keine Löschungsrechte haben, bevor die gesetzliche Aufbewahrungsfrist abgelaufen ist. Das diene nicht zuletzt der Beweissicherung, auch für Haftungsfälle.

Von einer generellen DSGVO-feindlichen Umsetzung der neuen Datenschutzbestimmungen in den Materiengesetzen sprach Walter Bacher (SPÖ). Dadurch habe man nicht zuletzt eine Flucht aus ELGA ausgelöst. Bacher hinterfragte außerdem, warum im Kraftfahrgesetz und in anderen Gesetzen nunmehr von pseudonymisierten Daten und nicht mehr von anonymisierten Daten die Rede ist. Bei einer Pseudonymisierung würde der Name nur durch einen Code ersetzt: Wer den entsprechenden Schlüssel habe, könne nachverfolgen, wem welche Daten zugeordnet sind.

„Beraten statt strafen“: SPÖ befürchtet Privilegien für Unternehmen

Hinterfragt wurde von der SPÖ auch die Forcierung des Grundsatzes „Beraten statt strafen“ im Verwaltungsstrafrecht. Abgeordnete Melanie Erasim befürchtet, dass es dabei nur um Privilegien zugunsten von Unternehmen gehen soll. Schließlich würden die Regierungsparteien etwa beim Schulschwänzen genau den gegenteiligen Weg beschreiten. Ihr Fraktionskollege Johannes Jarolim zeigte kein Verständnis dafür, dass schwarze Schafe in der Baubranche künftig vielleicht ungeschoren davonkommen sollen. Walter Bacher ist besorgt, dass damit Arbeitnehmerschutzbestimmungen ausgehebelt werden können.

Auch NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak hält die Argumentation der Regierungsparteien für nicht ganz stringent. Der Grundsatz „Beraten statt strafen“ sei grundsätzlich sinnvoll und zu begrüßen, sagte er. Bei der geplanten neuerlichen Reform des Strafrechts gehe man aber einen anderen Weg und sei für die volle Härte des Gesetzes.

Diesen Vergleich ließ ÖVP-Abgeordneter Klaus Fürlinger nicht gelten. Zudem wies er den Vorwurf geplanter Privilegien für Unternehmen zurück. Es gehe auch um Verwaltungsstrafen für private Haushalte. Man wolle nicht glauben, für was man alles bestraft werden könne, berichtete er von seinen Erfahrungen als Rechtsanwalt. Man habe „Metternich’sche Verwaltungsbehörden“ geschaffen, die oft Strafen verhängen, die in keinerlei Relation zu den geahndeten Verstößen stehen. Sein Fraktionskollege Wolfgang Gerstl verwies auf das Kumulationsprinzip, das häufig zu überschießenden Sanktionen führe.

Justizminister Moser machte geltend, dass man mit dem Grundsatz „Beraten statt strafen“ im Arbeitsinspektionsgesetz gute Erfahrungen gemacht habe. Er wertete es daher als sinnvoll, diesen Grundsatz auch auf andere Materiengesetze zu übertragen.

In Kraft treten soll der Großteil des vorliegenden Datenschutz-Anpassungsgesetzes gemeinsam mit der EU-Datenschutz-Grundverordnung und der neuen Datenschutz-Richtlinie für die Bereiche Innere Sicherheit und Justiz am 25. Mai 2018. Am hohen Datenschutzniveau soll sich durch die terminologischen und inhaltlichen Anpassungen den Erläuterungen zufolge nichts ändern. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs

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