TIROLER TAGSZEITUNG „Leitartikel“ vom 8. April 2019 von Mafred Mitterwachauer „Berlin wird kommen“

Innsbruck (OTS) In Deutschland gehen Menschen bereits für leistbaren Wohnraum auf die Straße. In Tirol will Schwarz-Grün der Teuerungsspirale vorerst mit dem Wohnpaket die Stirn bieten. Zweifel daran bleiben. Es ist Zeit, Tabus zu brechen.

Zum Schutz der Natur wird hierzulande wieder demonstriert. Zuletzt im Kampf um den Erhalt der Feldringer Böden. Und: Es wirkt! In Deutschland entlädt sich Volkes Zorn derzeit an einem in Tirol ebenso bekannten Thema: leistbarem Wohnen. Weit über 10.000 Bürger protes­tierten am Samstag in Berlin gegen den „Mietwahnsinn“. Auch ein Volksbegehren wurde initiiert: Große Wohnungskonzerne und Immobilienfirmen sollen enteignet werden. Berlin ist nicht allein. So weit ist Tirol noch nicht. Das mag mit dem Leidensdruck zu tun haben. Doch das kann sich ändern. Wenn der (Miet-)Wohnungsmarkt und die Spekulation mit Grund und Boden weiter durch die Decke schießen. Die Voraussetzungen sind – je nach Sicht – gut bis schlecht. Gut für Immo-Haie, gewerbliche Wohnbauträger und Hausbesitzer, schlecht für die Masse an Mietern und potenziellen Häuslbauern.
Die schwarz-grüne Landesregierung erhofft sich viel von ihrem „Wohnpaket“. Viele dieser Maßnahmen sind überfällig und notwendig. Es braucht Vorbehaltsflächen für sozialen Wohnbau, die Befristung von Neulandwidmungen, eine Freizeitwohnsitzabgabe, das Interessentenmodell im Baulandverkehr und so fort. Der Fokus liegt stark auf raumordnungspolitischen Maßnahmen. Vorhaben, die mittel-bis langfristig preisdämpfend wirken können, jedoch beileibe nicht zwangsläufig dazu führen müssen. Denn das Motiv, mehr Grund auf den Markt zu schaufeln, um damit den (Sozial-)Wohnbau zu forcieren, kann auch wirkungslos verpuffen. In Innsbruck sind zwischen 2012 und 2018 über 2000 Sozialwohnungen auf den Weg gebracht worden. Und? Hat sich der Wohnungsmarkt entspannt? An alle, die jetzt mit der (ausländischen) Zuzugskeule argumentieren: Wirksame und legale Wege, selbigen Zuzug zu stoppen, haben diese Kritiker auch noch keine aufgezeigt.
Erhöhte Mietzinsbeihilfen, zinsenfreie Landesdarlehen, mehr Wohnbauförderung – ja, das macht Wohnen leistbarer. Aber wollen wir auf die Preisspirale stets mit neuen Zuschüssen reagieren? Und Wohnungseigentum nur noch jenen überlassen, die reich geerbt haben? Tabus gehören gebrochen. Reden wir doch bei den Mieten über Obergrenzen. So wie beim Lkw-Transit. Und darüber, wie Grund- und Bodenpreise gesetzlich zu limitieren sind. Denn: Es ist immer noch der hoheitliche Widmungsakt der Allgemeinheit – repräsentiert durch gewählte Mandatare –, der aus einem Acker Bauland macht. Reden wir darüber. Wenn nicht, werden Demos wie in Berlin auch bei uns kommen. Offen ist nur, wann es so weit ist.

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