TIROLER TAGESZEITUNG: „Stimmungsmache-Demokratie“, von Michael Sprenger

Ausgabe vom 23. Februar 2018

Innsbruck (OTS) - Der Ausbau der direkten Demokratie soll ein Mehr an Bürgerbeteiligung bringen. Doch der Preis dafür ist eine Schwarz-Weiß-Demokratie, bei der sich Ja- und Neinsager austoben können. Ein Plädoyer zum Innehalten.

Es mag stimmen, dass die Frage, ob es in Österreich ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie geben soll, geradezu ideal für eine Volksentscheidung ist. Handelt es sich doch um ein typisches Bauch-und Betroffenheitsthema, bei dem jede Bürgerin, jeder Bürger einen persönlichen Zustand hat. Genau das ist das Problem. Nein, es geht nicht darum, ob der Schatten auf der Lunge vom Rauchen kommt, es geht nicht darum, ob es dem Personal zumutbar ist, in einem Lokal arbeiten zu müssen, wo die Luft zum Scheiden ist. Das alles wissen wir. Rauchen kann tödlich sein. Es geht darum, ob die so genannten Bauch-und Betroffenheitsthemen wirklich so idealtypisch für die direkte Demokratie geeignet sind.
Sie sind es eben nicht. Aufgrund der wissenschaftlichen Arbeiten von Daniel Kahneman wissen wir ob des schnellen und langsamen Denkens Bescheid. Jeder von uns beherrscht diese beiden Formen, weil ein Teil des Hirns schnell, immer aktiv, emotional, stereotypisierend denkt, der andere Teil hingegen anstrengend, logisch und bewusst. Über schnelles und langsames Denken wissen auch Politiker Bescheid. Deshalb versuchen sie, jedes noch so komplexe Thema zu einem einfachen zu machen, um bei uns das schnelle Denken zu aktivieren. Eine Methode, die der Boulevard so erfolgreich anwendet.
Der Ausbau der direkten Demokratie, so wie ihn Schwarz-Blau plant, mag zwar auf ein Mehr an Mitbestimmung der Bürgerbeteiligung abzielen, doch was wir damit bekommen, ist eine Schwarz-Weiß-Demokratie.
Österreich hat sich nach dem Ersten Weltkrieg aus gutem Grunde für die repräsentative Demokratie entschieden – und nach den dunklen Ereignissen unserer Geschichte zu Recht daran festgehalten. Für Hans Kelsen, den Vater der Verfassung, war es immer klar, dass Demokratie niemals zur einer Diktatur der Mehrheit verkommen darf. Demokratie heißt eben auch, die unterschiedlichen Interessen in einer Gesellschaft durch das Schaffen von Kompromissen auszugleichen. Das mag mühsam sein. Doch der Preis für den Ausbau der direkten Demokratie ist ein viel höherer, weil damit die Stimmungsmache-Demokratie und Kampagnendemokratie zum Prinzip erhoben werden.
Übrigens: Das Parlament als Ort der repräsentativen Demokratie hat das Anti-Rauch-Gesetz beschlossen, weil es schlichtweg vernünftig ist. Am 1. Mai sollte es in Kraft treten.

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