TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartkel“ vom 17. Mai 2023 von Peter Nindler „Los geht’s – aber wohin?“

Innsbruck (OTS) Der bayerisch-tirolische Schulterschluss mit der Kufsteiner Erklärung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass vom Bahnaus­bau bis zum Lkw-Transit zwischen den Nachbarn Welten liegen. Und verkehrspolitisch ist das kleine Einmaleins wenig hilfreich.

Wer versucht, Tiroler Maßstäbe in der bayerischen Verkehrspolitik anzuwenden, wird zwangsläufig scheitern: Daran ändert auch die Kufsteiner Erklärung von Landeshauptmann Toni Mattle, seinem Südtiroler Amtskollegen Arno Kompatscher und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder für ein Lkw-Verkehrsmanagement entlang des Brennerkorridors nichts.
„Here we go“ (Los geht’s) frohlockte beispielsweise der EU-Koordinator für den Brennerbasistunnel samt Zulaufstrecken Pat Cox bereits im Jahr 2012. Die damalige österreichische Verkehrsministerin Doris Bures und ihr deutsches Pendant Peter Ramsauer hatten nämlich gerade das Abkommen über die Planungen des Brennerzulaufs zwischen München und Kufstein unterzeichnet. Sieben rot-weiß-rote und vier deutsche Verkehrsminister später – darunter wie Ramsauer drei aus Bayern – wird man eines Besseren belehrt. Viele Fortschritte wurden seither nicht gemacht. Das euphorische „Los geht’s“ musste im Laufe der folgenden elf Jahre einer strategischen Geduld weichen. Der Geduldsfaden ist allerdings schon zum Zerreißen gespannt, weil der Wert von Verträgen und der Ernst der Absicht in Frage gestellt wird.
In Bayern regt sich darüber hinaus massiver Widerstand gegen den viergleisigen Ausbau der Schiene als Verbindungsstück für den Brennertunnel. Verständlich aus der Sicht der Betroffenen, weil es beim Bau der Unterinntalbahn in Tirol vor 20 Jahren ähnlich war. Und heute? Niemand stellt mehr den Sinn der fast vollkommen untertunnelten 40 Kilometer langen Bahnstrecke in Frage. Doch angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen im Oktober in Bayern gerät der Brenner-Nordzulauf politisch ebenfalls zwischen alle Fronten. Braucht es ihn überhaupt, fragt sich selbst die regierende CSU von Markus Söder.
Die Lkw-Blockabfertigung gilt gemeinhin als verkehrspolitische Kriegserklärung an Bayern. Weil zugegebenermaßen die Tiroler Stau-Probleme hinter die Grenze verschoben werden. Der nachvollziehbare Ärger verdeckt jedoch die Sicht auf Ursachen: Das sind jährlich rund 2,5 Millionen Lkw und über elf Millionen Pkw, die im Transit durch Tirol und dann über den Brenner rollen. Zwar stimmt die bayerische Rechnung, aber es ist nur das kleine Einmaleins der Verkehrspolitik.
Mit der alternativlosen Verlagerung der Gütertransporte von der Straße auf die Schiene, um Lkw-Rückstaus in Tirol bzw. Bayern zu verhindern, steht man wieder am Anfang: beim Brennerbasistunnel und seinen Zulaufstrecken. Mit dieser Infrastruktur wäre das möglich. Lieber früher als später. Das gilt für die Fertigstellung des Basis­tunnels wie auch den dazugehörenden Bahnausbau in Bayern und in Südtirol.

Rückfragen & Kontakt:

Tiroler Tageszeitung
0512 5354 5101
chefredaktion@tt.com



Quelle

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER
INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at

(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender.

Eigenes Pressefach für Ihre Pressemeldungen - Pressefach.eu

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen