TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Ziviler Ungehorsam ist auszuhalten“, von Anita Heubacher

Ausgabe vom Dienstag, 7. Februar 2023

Innsbruck (OTS) Einer Gesellschaft sollte es recht sein, wenn sich eine Generation mit Umweltthemen auseinandersetzt und provoziert. Das ist wohl lohnender, als sich mit Selbstoptimierung und der Kontur der Augenbrauen zu beschäftigen.

Das war Wasser auf die Mühlen all jener, die Klimaschützer gerne als „Klima-Terroristen“ oder „Klima-Chaoten“ bezeichnen und offensichtlich aus dem verunglückten Diskurs in der Pandemie und der daraus resultierenden Spaltung der Gesellschaft nichts, aber auch rein gar nichts gelernt haben. Letzte Woche versäumten zwei Mitglieder der „Letzten Generation“ einen Gerichtstermin, weil sie einen Langstreckenflug nach Thailand genommen hatten. Nun, kaum jemand lebt vermutlich durchgehend konsequent, aber Moralapostel überzieht man besonders gerne mit Häme. Zu Recht in diesem Fall, denn der Bewegung hat das geschadet. Aber das Anliegen und das Engagement der Klimaschützer deshalb abzutun, greift zu kurz.
Das ist ein Reflex, den wir von „Fridays For Future“ kennen. Für viele Bürger war plötzlich die schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg das Problem und nicht der Klimawandel. Hier wie dort ist es neben dem Umweltthema auch ein Generationenkonflikt, der den Dialog schwierig macht. Die Jungen werfen den Alten etwas vor. Das hat man nicht so gerne, denn normalerweise funktioniert das umgekehrt. Die Alten erzählen den Jungen, wo es langgeht.
In der Klimafrage geht es für die Aktivisten offensichtlich in die falsche Richtung. Seit vier Jahren kämpft „Fridays For Future“ darum, dass die Wissenschaft gehört wird. Mit mäßigem, aus der Sicht der „Letzten Generation“ sogar ohne Erfolg. Österreich hält seine selbst gesetzten Klimaziele nicht ein und bricht das Pariser Klimaabkommen. Nicht einmal, wenn es politisch leicht ginge, agiert die schwarz-grüne Bundesregierung umweltbewusst. Statt die teuren Energiepreise zu nutzen und einen Lenkungseffekt zu erzielen, steckt man nicht den Bedürftigen, sondern allen 500 Euro in die Tasche und nennt das auch noch Klimabonus.
Einer von vielen Gründen, warum die Aktivisten zu Protestaktionen greifen, die richtig aufregen. Es ist eine Gratwanderung, die fehlschlagen könnte, wenn sich die Mehrheit der Wähler genervt zurückzieht. Es kann aber auch gut gehen, wenn die Wähler das Gefühl entwickeln, dass sich die Institutionen der Demokratie auf der Suche nach einer Lösung auf die Klimaaktivisten zubewegen sollten.
Zivilen Ungehorsam muss eine reife Demokratie aushalten. Im niederösterreichischen Wahlkampf hat sich das weniger philosophisch angehört. Dort regte die alte und neue Landeshauptfrau härtere Strafen für Aktivisten an und schielte auf Applaus.

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