TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom Mittwoch, 14. Juni 2017 von Max Strozzi „Weniger Platz zwischen Arm und Reich“

Innsbruck (OTS) - Die OECD hat eingeräumt, dass ihre Ratschläge, die Arbeitsmarktpolitik einiger Länder und die Globalisierung vor allem Vermögenden zugutegekommen sind. Die Mittelschicht-Jobs fallen zunehmend weg – das birgt enormen sozialen Sprengstoff.

Viele Sorgen der Globalisierungskritiker sind Wirklichkeit geworden. Das schreibt nicht eine linksradikale Gruppierung, das formuliert die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in ihrem jüngsten Beschäftigungsbericht. Es ist ein offenes Geständnis eigener Fehleinschätzungen, das die internationale Organisation abgelegt hat. Und sie stellt auch die Arbeitsmarktpolitik in einigen ihrer Mitgliedsländer in Frage. Lange hätten die OECD und ähnliche Institutionen vor allem die wirtschaftlichen Vorteile der Globalisierung herausgestrichen und ihre Empfehlungen an die Politik danach ausgerichtet. Nun räumt die 35 Mitgliedstaaten umfassende Vereinigung ein, dass ein bedingungsloser Weg, die Arbeitsmarktpolitik ausschließlich den ökonomischen Vorteilen der „globalen Integration“ unterzuordnen, womöglich zu hinterfragen sei. Viele arbeitsmarktpolitische Entscheidungen – auch solche, die mit den Vorstellungen der OECD übereinstimmen – könnten Reichere unverhältnismäßig stark bevorzugt haben, räumt die OECD ein.
Ihr Bericht legt einmal mehr dar, dass sich die Schere in der Gesellschaft weiter öffnet, die Ungleichheit wächst und viele Menschen von der Geschwindigkeit, mit der die weltweite Vernetzung voranschreitet, überrannt werden. Im Schnitt verdient in den 35 OECD-Ländern das reichste Zehntel der Bevölkerung mittlerweile neunmal mehr als die ärmsten zehn Prozent der Menschen. Vor 25 Jahren verdienten die Reichen „nur“ siebenmal mehr. Soll heißen: Oben wird immer besser bezahlt, unten dagegen immer schlechter.
Vielen Menschen flößt die zunehmende Globalisierung Angst ein: Durch die weltweite Verflechtung fielen vor allem Jobs in der Mittelschicht weg. Arbeitsplätze mit geringerer Qualifikation nahmen zu, solche mit hoher Qualifikation ebenfalls. Für Abstufungen zwischen Besser- und Schlechtverdienenden ist im OECD-Raum aber offenbar immer weniger Platz. Dass selbst Menschen mit mittlerer Bildung immer schwerer einen angemessenen Job finden, treibt die Polarisierung voran. Es sind Entwicklungen, die sich auch in Tirol zeigen. Wo die Beschäftigung zuletzt zwar stetig stieg, allerdings häufig in schlechter bezahlten Teilzeitjobs.
Kippen die Jobs in der Mittelschicht zunehmend weg – wie es die OECD befindet –, nimmt man vielen auch die Hoffnung auf einen sozialen Aufstieg. Das alleine birgt schon enormen sozialen Sprengstoff.

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