TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 7. November 2022 von Florian Madl „Termin-Aktionismus im Skisport“

Innsbruck (OTS) Man wollte der TV-Omnipräsenz der Fußball-WM entgehen, um nur ja nicht unterzugehen. Nach der wetterbedingten Absage von sieben der acht Auftaktrennen im Alpin-Weltcup muss der Weltskiverband seine Terminplanung hinterfragen.

Man könnte es heldenhaft nennen – oder naiv: Als geneigter Sport-Zuseher gewinnt man den Eindruck, dass sich der Welt-Skiverband einer Naturgewalt entgegenstellt, um nicht mit einer anderen zu kollidieren. So wie in Zermatt mussten gestern die Parallel-Rennen in Lech/Zürs wetterbedingt abgesagt werden, was angesichts der Jahreszeit durchaus im Bereich des Erwartbaren lag. Man versuchte ganz offensichtlich, der erhöhten Aufmerksamkeit für die anstehende Fußball-WM zu entkommen, indem man sich dem Termin-Aktionismus verschrieb und allerhand vorverlegte. Folge: Von acht Alpin-Rennen wurden bisher sieben abgesagt.
Es erhebt sich zu Recht die Frage: Hätten sich FIS-Präsident Johan Eliasch und sein Team nicht mehr einfallen lassen können als einen überdimensionierten November-Rennblock? Hätte man in Zeiten der Energiekrise und des Klimawandels nicht anders – mit Fingerspitzengefühl etwa – reagieren können, um der Öffentlichkeit weiße Schneebänder vor grünem Hintergrund zu ersparen und nicht Gefahr zu laufen, als ignorant abgestempelt zu werden?
Wo bleibt das Selbstbewusstsein? Das Motto müsste lauten: Sollen sie nur in der Wüste Fußball spielen – wir als naturverbundener Wintersportverband bleiben unserer Tradition treu. Seit 1955 findet jedes Jahr im Dezember in Val-d’Isère das „Critérium de la première Neige“ statt, das Rennen des ersten Schnees. Aber mittlerweile muss der Schnee ja fallen, wenn es die Fernseh-Zeiten zulassen, nicht die Temperatur. FIFA-Gremien mögen vor Vergabe der Katar-WM korrumpierbar gewesen sein, das Wetter war es nie.
FIS-Präsident Johan Eliasch vollzieht im Kleinen das, was im Großen die Protagonisten Olympia, Fußball und Formel 1 praktizieren. In seinem Innovationsstreben vergisst der Schwede offensichtlich die Wurzeln des Skisports, handelt den Weltcup wie eine Ware, taxiert die Bedeutung nach Fernseh-Zeiten und forciert die Implementierung in Wintersport-fernen Ländern im Sinne der Markterweiterung. Die Realität sieht anders aus: Der chinesische Präsident Xi Jinping wollte bis zu den Olympischen Spielen 300 Millionen Landsleute für den Skisport begeis­tern. Aber selbst in den Wintersportgebieten könnten sich Interessenten mit ihrem gesamten Monatsverdienst gerade zwei Ski-Wochenenden leisten.
Der Welt-Skiverband strebt unter seinem neuen Präsidenten nach Größerem und scheitert doch im Kleinen. Heldenhaft oder naiv? Der verzweifelte Schrei nach Aufmerksamkeit lässt eher Letzteres vermuten.

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