TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 7. Juni 2019 von Michael Sprenger „Das Jammertal der Roten“

Innsbruck (OTS) Knapp vier Monate vor der Wahl ist die SPÖ in einem erbärmlichen Zustand – und das Team um Pamela
Rendi-Wagner verschanzt sich in einer Wagenburg. Die Chancen stehen schlecht, aber sie könnten genützt werden.

In Gefahr und großer Not bringt der Mittelweg den Tod.“ Dieses Zitat des deutschen Barockdichters Friedrich von Logau beschreibt das Dilemma der SPÖ, in dem sie sich nicht erst seit gestern befindet. Die Roten sind am Beginn eines für ihre Zukunft entscheidenden Wahlkampfes in einem erbärmlichen Zustand. Der Parteispitze ist die Angst geradezu ins Gesicht geschrieben. Natürlich gibt es aus jedem Jammertal einen Ausweg, wenn auch nicht mit einer Erfolgsgarantie. Doch ist die Partei überhaupt bereit, dieses Risiko einzugehen?
Die SPÖ hat es verabsäumt, in den eigenen Nachwuchs zu investieren. Statt zu gestalten, übte sie sich im Verwalten. Zu lange verkaufte sie ihr Glück an den Boulevard. Ihr sind dabei die Erzählung, die Programmatik und die Leidenschaft abhan­dengekommen. Dieses Beklagen der eigenen Fehler hilft ihr aber nicht weiter. Trotzdem sollte die Partei ob der Unzufriedenheit und Verunsicherung ihrer Wählerschaft rasch reagieren.
Nach dem unsäglichen Abgang von Christian Kern hat sich die Partei mit Pamela Rendi-Wagner für einen personifizierten Gegenentwurf zu Sebastian Kurz als Vorsitzende entschieden: eine selbstbewusste Frau, Mutter von zwei Kindern und als Ärztin beruflich höchst erfolgreich. Sie ist ein geradezu idealtypisches Kind der Kreisky-Jahre. Die Politik des Säulenheiligen der Partei ebnete erst den Weg, der der Tochter einer Alleinerzieherin den Aufstieg ermöglicht hat. Allerdings war die frühere Gesundheitsministerin nie tief in der Partei verankert und nicht mit ihrer Geschichte verwoben. Das wäre zu kompensieren. Aber nur, wenn sie ein höchst professionelles Team hätte, welches das politische Handwerk beherrscht. Das hat sie aber nicht. Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda ist Rendi-Wagner von seinem bürgerlichen Lebensentwurf her sehr ähnlich. Mit ihm an der Seite der Vorsitzenden betont die SPÖ nicht die Breite der Partei – sondern ihre Verengung. Mit der aufkeimenden Kritik am Zustand der Partei schottete sich das Team um Rendi-Wagner in der Parteizentrale immer mehr ab. In der Wagenburg wurde das Misstrauen zum Programm. Die Partei hat jetzt drei Varianten zur Auswahl: alle für Rendi-Wagner – und um sie herum ein neues Team. Ausgang ungewiss. Oder neue Spitzenkandidatin/neuer Spitzenkandidat mit einem neuen Team. Ausgang ungewiss. Oder die SPÖ entscheidet sich für den Mittelweg. Alles bleibt wie gehabt. Ausgang gewiss.

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