TIROLER TAGESZEITUNG: Leitartikel vom 6. März 2019 von Serdar Sahin – Es braucht Ethikunterricht für alle

Innsbruck (OTS) Das moralphilosophische Fach sollten nicht nur jene besuchen, die nicht am Religionsunterreicht teilnehmen,
sondern alle Schüler. Am besten ab der ersten Schulstufe. Dafür gibt es mehrere gute Gründe.
Lang wurde darüber geredet – nun soll es bald so weit sein. Ethik­unterricht wird es ab dem Schuljahr 2020/21 zunächst an den AHS-Oberstufen und Polytechnischen Schulen geben, ein Jahr später auch in den Berufsschulen bzw. berufsbildenden mittleren und höheren Schulen. Langfristig will ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann das moralphilosophische Fach auf alle Schulstufen ausdehnen. Dafür gebührt ihm Lob. Doch die Sache hat einen Haken.
Das Fach Ethik soll nämlich nur für jene Schüler verpflichtend sein, die nicht den Religionsunterricht besuchen. Vor allem sollten aber Schüler, die in den Religions-unterricht gehen, auch in Ethik geschult werden. Mehrere gute Gründe gibt es dafür, ein Ethikfach neben dem Religionsunterricht für alle Schüler verpflichtend einzuführen. Im Religionsunterricht sind die Schüler weitgehend in der eigenen Religion „eingeschlossen“. Ein Ethikunterricht könnte einen Blick über den Tellerrand gewähren – wichtig wäre das, weil mittlerweile über 700.000 Menschen im Land leben, die sich zum islamischen Glauben bekennen. Umgekehrt würden muslimischen Kindern und Jugendlichen die Werte der christlich-jüdischen Kultur vermittelt. Es ist davon auszugehen, dass diese Thematik im islamischen Religionsunterricht zu kurz kommt.
Zudem könnte schon früh gegen Radikalisierungstendenzen vorgegangen werden. Erwiesenermaßen nehmen extreme Gesinnungen mit steigendem Informations- und Bildungsgrad ab. Deswegen ist ein solches Fach schon ab der ersten Schulstufe notwendig – und nicht irgendwann. Am besten gleich mit Beginn des Schuljahres 2020/21.
Ein Ethikunterricht ist also weitaus mehr als nur ein weiteres Fach. Natürlich stimmt es, wenn Faßmann sagt, dass es in einer pluralistischen Gesellschaft, in der die Rolle der Kirche abnimmt, ein gemeinsames ethisches Verständnis braucht. Trotzdem geht es nicht nur darum, diejenigen zu „beschäftigen“, die sich für Religion nicht mehr interessieren. Es geht um ein friedliches Miteinander, das mit Ethikunterricht zumindest im Fundament – also in den Köpfen der Kinder und Jugendlichen – verankert werden könnte. Wäre ein ethisches Fach nicht nur experimentell in einigen Schulen erprobt, sondern vor Jahren verpflichtend und flächendeckend eingeführt worden, würden wir manche Diskussionen heute wohl gar nicht führen.

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