TIROLER TAGESZEITUNG: Leitartikel vom 4. September 2018 von Anita Heubacher – Akademisch, aber arbeitslos

Innsbruck (OTS) Verursacht durch eine ideologiegetriebene Bildungspolitik und überehrgeizige Eltern landen immer mehr Schüler und Studenten dort, wo ihnen die Eignung und Qualifikation fehlt. Daneben geht die duale Ausbildung zugrunde.

Es war eine wenig brillante Idee, die Bildungsqualität eines Landes an der Akademisierungsquote ablesen zu wollen. Von der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, ersonnen, von der EU übernommen und von den Nationalstaaten umgesetzt, wird heute klar, dass die Quote wenig aussagt und der Akademisierungswahn mehr schadet als nützt.
Österreich hat seine Akademiker­quote erhöht und dieses Ziel auch dadurch erreicht, indem es die Standards an den Universitäten abgesenkt hat. An den Hochschulen landen immer mehr ungeeignete Studierende, ebenso wie an den Schulen die falschen Schüler. Eine Matura bescheinigt vielleicht die Studienberechtigung, aber noch lange keine Studienbefähigung. Noten sind seit der dritten Klasse Volksschule nicht mehr für bare Münze zu nehmen, weil sie neben der Befähigung der Kinder auch jene der Eltern zur Intervention ausdrücken.
Ungeachtet aller Statistiken und ungeachtet des Blicks auf den Arbeitsmarkt hält sich in Österreich dennoch die Überzeugung, dass die Hochschule der Parade­weg in den Beruf sei. Dabei sind in den letzten Jahren die Jobaussichten für Akademiker gesunken. Wer bitte soll Tausende Psychologen, Politologen, Juristen und Betriebswirte brauchen? Der Markt sicher nicht. Aber anstatt endlich die Bremse zu ziehen und mit voller Kraft einen Umkehrschwung in der öffentlichen Meinung herbeizuführen, wird in der Bildungspolitik maximal umgefärbt, aber keine groben Fehlentwicklungen korrigiert.
Die Akademikerquote eines Landes sagt nichts darüber aus, wie gut ein Studium für den Joberwerb ist. Großbritannien hat eine höhere Akademikerquote als Österreich oder Deutschland, aber auch eine sehr viel höhere Jugendarbeitslosigkeit. Letztere ist in Deutschland und Österreich niedriger, weil beide Länder eine wirklich gute Idee, die der dualen Berufsausbildung, umgesetzt haben. Das Erfolgsmodell der dualen Ausbildung hat allerdings durch den Akademisierungswahn stark gelitten und droht im Gerangel um die insgesamt weniger gewordenen Jugendlichen unterzugehen.
Um das zu verhindern, braucht es die Aufwertung der Lehre und die Durchlässigkeit des Bildungssystems. Mit der Meisterprüfung zum Masterstudium, oder der Meister als Bachelor. Wenn die Politik nichts macht, muss es der Markt tun und die Fehlentwicklung am Ende durch immer höhere Gehälter für Facharbeiter bezahlen.

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