Tiroler Tageszeitung „Leitartikel“ vom 3. November 2017 von Serdar Sahin „Schwierige Rolle in heikler Zeit“

Innsbruck (OTS) Kurz-Intimus Mahrer, neuer Chef des Wirtschaftsbundes, will die Kammer-Pflicht beibehalten. Das will der künftige Koalitionspartner des ÖVP-Chefs nicht. Gibt Kurz nach, hat er erstmals seit Amtsantritt einen Binnenfeind.

Harald Mahrer wird Chef des schwarzen Wirtschaftsbundes – und löst damit Christoph Leitl an der Spitze ab. Er wird wohl auch bald Präsident der Wirtschaftskammer. Mahrer, derzeit ÖVP-Wirtschaftsminister, davor zweieinhalb Jahre Staatssekretär, wechselt nun also von der Regierung in die „Schattenregierung“, wie die Sozialpartner genannt werden.
Mahrer übernimmt damit eine schwierige Rolle in einer heiklen innenpolitischen Zeit. Die ÖVP unter Obmann Sebastian Kurz verhandelt mit den Freiheitlichen ein Regierungsprogramm. Eines der blauen Begehren: Es müsse Schluss sein mit der verpflichtenden Kammermitgliedschaft.
Kurz selbst ist kein Freund der Sozialpartner – in einem kürzlich erschienenen TT-Interview forderte er eine neue Zusammenarbeit der Regierenden mit diesen. Was das konkret bedeutet, ist offen. Er hat sich nie für ein Ende der Pflichtmitgliedschaft ausgesprochen – überhaupt hält er sich aus dieser Sache raus. Im Wahlkampf lautete sein Wording: Effiziente und serviceorientierte Kammern seien nötig. Kurz-Intimus Mahrer plädiert dafür, beim derzeitigen Modus zu bleiben: „Ich bin ganz klar für die Pflichtmitgliedschaft.“ Er sei immer schon ein „glühender Verfechter der Selbstverwaltung“ gewesen. Das überrascht insofern, als das Mantra der ÖVP ja neuerdings lautet:
Veränderung, Veränderung, Veränderung!
Auf Neues zu drängen, bei den Kammern aber beim Alten bleiben zu wollen, ist widersprüchlich. Ist Mahrer das Hemd auf einmal näher als der Rock? Oder lässt der ÖVP-Chef via Mahrer seinen künftigen Koalitionspartner wissen, was er von dessen Forderung hält? Dass Mahrer sein Verlangen öffentlich deponiert, ohne es mit Kurz abgesprochen zu haben, ist unwahrscheinlich. Eher dürfte er abtesten, wie die Blauen darauf reagieren. Die denken – zumindest vorerst – nicht daran, nachzugeben. Generalsekretär Herbert Kickl sagt: „Es wird sich zeigen, ob der türkise Veränderungswille der ÖVP stärker ist als der schwarze Kammerbeton – oder umgekehrt.“ Auch dass Mahrer umschwenkt, ist nicht zu erwarten. Er wird nicht zulassen wollen, dass seine Institution finanziell beschnitten wird. So wird es an Kurz liegen, die FPÖ von ihrem Vorhaben abzubringen. Tut er das nicht, damit er nicht dasteht als einer, der nur redet und nicht handelt, droht Eiszeit. Dann wäre es wohl vorbei mit der Loyalität von Parteifreunden, wie es sie bis zur Wahl gegeben hat.

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