TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel vom 3.Juli 2019 von Wolfgang Sablatnig – „Freies Spiel, alte Rechnungen“

Innsbruck (OTS) Politik findet endlich wieder im Parlament statt, bei den gewählten Abgeordneten. An die Zeit nach der Wahl am 29. September denkt aber noch niemand. Nach dem freien Spiel der Kräfte droht ein schlimmer Kater.

Die Fülle der Beschlüsse in diesen letzten Tagen vor der Sommerpause des Nationalrats ist ebenso unübersichtlich wie die Koalitionen, die sich dafür gefunden haben. Rauchverbot: alle gegen die FPÖ. Glyphosat-Verbot: alle gegen die ÖVP. Parteifinanzen: Rot-Blau-Jetzt gegen Türkis-Pink. Schuldenbremse: Türkis-Blau-Pink gegen Rot-Jetzt. Mindestpension und Steuerreform: Türkis-blaue Sentimentalität. Schutz des Trinkwassers: nur drei Gegenstimmen. Wertanpassung des Pflegegelds: Wer könnte dazu Nein sagen? Klimanotstand: keine Frage! Wir erleben lebendigen Parlamentarismus. Wir sehen aber auch, was passiert, wenn das freie Spiel benutzt wird, um alte Rechnungen zu begleichen. Beispiel Parteifinanzen: Rot und Blau werfen den Türkisen (bzw. den Schwarzen) seit Jahren vor, sich von der Wirtschaft kaufen zu lassen. Also weg mit den Großspenden!
Aber eine echte Prüfkompetenz für den Rechnungshof fehlt. Auch die Vereinskonstruktionen, mit denen die SPÖ schon das jetzige Parteiengesetz aushebelt, bleiben. Heinz-Christian Straches unmoralisches Angebot aus Ibiza bleibt ungesühnt.
Viel Zeit bleibt den Parteien nicht, um ohne Koalitionszwang alte Wünsche durchzudrücken. Nach dem Sommer folgt nur noch eine Sitzung des Nationalrats. Dann schließt sich mit der Wahl das Fenster des freien Spiels. Die Qualität scheint zweitrangig. Alfred Noll hat gegen den Schutz des Trinkwassers gestimmt. Seine Bedenken haben aber nichts mit dem Wasser zu tun. „Das ist nicht deutsch“, kritisierte der wortgewaltige Jurist und Jetzt-Mandatar vielmehr den Gesetzestext. Außerdem verkomme die Verfassung zum „Buchstabenschrottplatz“.
Auch Vorhaben der gescheiterten Koalition werden noch schnell durchgedrückt. Das verspricht Futter für die Wahlkampagnen. Und an die Zeit nach dem 29. September denkt ohnehin noch niemand.
Nicht das freie Spiel der Kräfte ist das Problem. Die Fraktionen nehmen sich aber kaum Zeit zum Innehalten und Nachdenken. Zu groß ist die Angst, vor der Wahl als Bremser vorgeführt zu werden.
Dies könnte die Lehre aus diesen ungewöhnlichen Wochen sein: Es ist gut, dass endlich die gewählten Abgeordneten im Parlament Politik machen und sie sich diese nicht nur von der Regierung aufs Aug’ drücken lassen. Zu ausgelassen praktiziert, droht aber ein schlimmer Kater: Es war teuer, vieles passt nicht zusammen und die Gräben zu möglichen Partnern sind tief.

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