Tiroler Tageszeitung „Leitartikel“ vom 3.2.18 von Mario Zenhäusern „Subsidia … was?“

Innsbruck (OTS) In der Europäischen Union sollen Entscheidungen in erster Linie dort getroffen werden, wo sie anfallen. Im Fall des Brennerbasistunnels funktioniert das nicht. Deshalb muss die EU den Druck auf Deutschland endlich erhöhen.

Im zweiten Halbjahr 2018 wird Öster­reich den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernehmen und unter das Generalthema „Subsidiarität“ stellen. Eine gute Idee, weil jeder unter dem sperrigen Begriff etwas anderes versteht. Dabei wäre es eigentlich ganz einfach. In einer Info-Broschüre zum Thema EU heißt es:
„Subsidiarität bedeutet, dass öffentliche Aufgaben möglichst bürgernah – zum Beispiel auf der Ebene der Kommunen oder der Bundesländer – geregelt werden sollen. Erst wenn ein bestimmtes Problem dort nicht gelöst werden kann, wird die Regelungskompetenz nach ‚oben‘ abgegeben. Die EU soll sich nur um Dinge kümmern, die sie besser regeln kann als die Mitgliedsländer.“
Was in der Theorie simpel klingt, lässt in der Realität jede Menge Interpretationsspielraum offen. Wer bestimmt tatsächlich, ob ein Problem auf örtlicher, lokaler, regionaler, staatlicher oder eben auf EU-Ebene gelöst werden soll? In der Regel ist es halt dann doch die EU, die vorgibt, was zu geschehen hat. Und dann ergehen Anweisungen wie der Zwang, große Flächen im touristisch intensivst genützten Bundesland Tirol unter die Natura-2000-Käseglocke zu stellen und damit die künftige Nutzung wesentlich zu erschweren. Gleichzeitig aber wird der freie Warenverkehr innerhalb der EU über die Gesundheit der Menschen entlang der Tiroler Autobahnen gestellt. Wenn’s um den Transitverkehr geht, spielen Natur- und Menschenschutz keine Rolle. Das nährt die Europa-Skepsis.
Dabei hätte die EU gerade beim Verkehr enormen Handlungsbedarf. Derzeit gehen die Verantwortlichen den Weg des geringsten Widerstands. Zwar beteiligt sich die EU am milliardenteuren Brennerbasistunnel; die für dessen Funktionieren notwendigen flankierenden Maßnahmen, um den Güterverkehr auf die Schiene zu zwingen, interessieren Brüssel ebenso wenig wie die Errichtung der Zulaufstrecken, ohne die der Tunnel eben bloß ein Tunnel bleibt, aber nicht die Lösung des Problems Nord-Süd-Verkehr darstellt. Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips überlässt die EU diese wichtigen Entscheidungen den Nationalstaaten. Fazit: Deutschland weigert sich, endlich tätig zu werden, und die EU-Verantwortlichen nehmen das tatenlos zur Kenntnis. Eine besonders perfide Art, ein ehrgeiziges Projekt abzuwürgen.
Es könnte also eine lohnende Aufgabe für die österreichische Bundesregierung sein, im Rahmen des EU-Vorsitzes klare Trennlinien zu definieren, wann das Subsidiaritätsprinzip anzuwenden ist, quasi ein Regelwerk auszuarbeiten, wann und wo sich die EU einzumischen hat. Und wovon sie die Finger lassen soll.

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