Tiroler Tageszeitung, Leitartikel vom 29. Oktober 2022. Von Michael Sprenger. „Und was dann, SPÖ?“.

Innsbruck (OTS) Die ÖVP ist in der Krise, das ist nichts Neues. Die Grünen laufen Gefahr, mit ihrem Koalitionspartner zu verlieren.
Die SPÖ bringt einen Neuwahlantrag ein. Doch mit wem sie künftig regieren will, weiß sie nicht. Eine Offenbarung.

Nächste Woche wird im Parlament wieder ein Neuwahlantrag gestellt. Er wird keine Mehrheit finden. Dafür werden die Abgeordneten der Grünen und der ÖVP sorgen. Aus Selbstschutz. Beide wissen: Für sie gibt es bei einem Urnengang nichts zu gewinnen. Und es ist keinesfalls kühn, jetzt schon zu behaupten, dass zumindest einer der beiden Koalitionspartner nach der nächsten Wahl den Weg in die Opposition antreten muss.
Was aber offen ist, ist die Frage, welche Konstellationen sich nach einer Wahl überhaupt ausgehen können. Die Treue zu einer Partei nimmt massiv ab. In Zeiten von Ungewissheit und Unübersichtlichkeit steigt die Gruppe der volatilen Wähler. Dies alles führt zu einer Krise der Parteienlandschaft. Neue Parteien entstehen, um zu bleiben (NEOS), andere verschwinden rasch wieder (Liste Pilz).
Volksparteien wie ÖVP und SPÖ sind kaum in der Lage, auf diese Erosionsprozesse zu reagieren. Sebastian Kurz schaffte es zuletzt, mit Umfärbung der ÖVP und einem großangelegten Etikettenschwindel dieser Entwicklung eine erfolgreiche Antwort zu geben. Der angekündigte neue Stil endete jedoch mit einem harten Aufprall. Bis heute ist die ÖVP nicht in der Lage, mit diesem Kapitel abzuschließen. Immer noch behauptet die Parteispitze, kein Korruptionsproblem zu haben, immer noch sehen viele in Kurz einen Heilsbringer. Für wen?
Auf der anderen Seite die SPÖ. Angesichts dieser Rahmenbedingungen müsste sie in Umfragen durchstarten – und jenseits der 35-Prozent-Marke liegen. Derweil hat man den Eindruck, die Sozialdemokraten sind zufrieden mit sich – und selbstgefällig. Nur nicht auffallen, dann kann man nicht hinfallen. In Umfragen liegt man klar vor der ÖVP. Dies scheint – mit Blick auf die laufende inhaltslose Wohlfühlkampagne – den Sozialdemokraten zu genügen. Dass ihnen dabei die FPÖ schon längst auf den Fersen ist, scheinen sie nicht mitzube­kommen. Bemerkenswert daher die Reaktion der Tiroler SPÖ nach der Landtagswahl, wenn sie eine Zusammenarbeit von ÖVP und SPÖ als Vorbild ausgibt. Die Tiroler Roten stagnieren, werden von der FPÖ überholt. Egal, Hauptsache Regierung! Dahin will auch die Bundespartei. Sie wird es dank der ÖVP schaffen. Aber wenn man einen Neuwahlantrag einbringt, sollte man wenigs­tens eine Frage beantworten können. Sollte sich rechnerisch eine Koalition jenseits von FPÖ und ÖVP ausgehen, will man diese dann auch bilden – oder will man lieber, dass die ÖVP nach mehr als 35 Jahren ununterbrochen an der Macht dort auch bleibt?

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