TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 28. Juli 2017 von Peter Nindler „Verkehrsg’schichten und Tunnelsachen“

Innsbruck (OTS) Der Brennerbasistunnel könnte ab 2027 tatsächlich viele Verkehrsprobleme in Tirol lösen. Doch nicht nur die EU torpediert eine dringend notwendige Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene, sondern auch der Tiroler Diesel-Diskont.

Der zehn Milliarden Euro teure Brennerbasistunnel ist seit Jahren ein verkehrspolitischer Reibebaum. Zum einen symbolisiert der in Bau befindliche, 55 Kilometer lange Eisenbahntunnel zwischen Innsbruck und Franzensfeste, was technisch und in der Folge mit einer echten Verlagerungsstrategie des Schwerverkehrs von der Straße auf die Schiene alles möglich wäre. Andererseits werden seine Wirtschaftlichkeit und sein Nutzen stets infrage gestellt, weil die europäische Verkehrspolitik alles andere als bahnfreundlich agiert. Wie sollen die Güter auf die Bahn umgeleitet werden, wenn die Straße billig bleibt und die Lkw-Mauttarife bewusst niedrig gehalten werden?
Deutschland wiederum bekundet stets die positive Absicht für die Brennerachse, bremst jedoch gleichzeitig die notwendigen Zulaufstrecken für den Brennertunnel. Vor 2037 wird die Bahn im bayerischen Inntal nicht beschleunigt. Und letztlich locken die großen Lkw-Tankstellen in Tirol den Transitverkehr mit billigem Diesel an. Damit stellen sich Österreich und Tirol im Speziellen selbst ein Haxl. Der Basistunnel wird somit im eigenen Land torpediert.
In Wörgl, der drittgrößter Dieseltankstelle Europas, können nämlich gleichzeitig 16 Lkw aufgetankt werden. Was das im Tagesverlauf bedeutet, können sich die Verkehrsexperten ausrechnen. Laut Verkehrsclub Österreich wurden im ersten Halbjahr 2017 täglich 9400 Lkw in Wörgl gezählt, die Zunahme gegenüber dem Vorjahr beträgt 4,9 Prozent. Und der Blick auf den Dieselpreis zeigt ebenfalls, warum 700.000 Lkw über den Brenner fahren. Diesel ist gegenüber 2012 um 35 Cent günstiger, der Brenner nicht kürzer, sondern für die Frächter finanziell attraktiver. Das sektorale Lkw-Fahrtverbot fällt deshalb in die Kategorie engagiertes politisches Placebo.
Die EU steht ihrerseits im Verdacht, sich mit dem Brennerbasistunnel ein umweltpolitisches Mäntelchen umzuhängen. Mit der höchsten EU-Förderung von knapp zwei Milliarden ausgestattet droht der Tunnel mit Inbetriebnahme 2027 zu einem Milliardengrab zu werden, sollte die Verkehrspolitik nicht endlich auf die Lkw-Bremse steigen. Doch was von Brüssel zu halten ist, beweist die Mautfarce in Deutschland. Dort wird die Ausländerabzocke gebilligt, die Einschränkung des Transits durch Tirol hingegen stets mit einem EU-Verfahren bedroht. Obwohl Brüssel selbst den Ausbau der modernen Scheininfrastruktur auf der Brennerachse maßgeblich mitfinanziert.
Was bleibt, ist eine seit Jahren unerfüllte „Liebesbeziehung“:
nämlich Verkehrsg’schichten und Tunnelsachen.

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