Tiroler Tageszeitung, Leitartikel vom 27. Mai 2023. Von Michael Sprenger: „Ein Durcheinandertal“.

Innsbruck (OTS) Mit Salzburg ist nun das dritte Bundesland schwarz-blau eingefärbt. Herbert Kickl frohlockt. Er sieht sich dem Kanzleramt immer näher kommen. Zeitgleich startet die ÖVP einen Angriff auf die FPÖ. Es riecht nach Wahlkampf.

Der Salzburger ÖVP-Chef Wilfried Haslauer hat es also doch gemacht. Im Wahlkampf hat er noch scharf die Tonalität der FPÖ kritisiert. Er erinnerte an die 1920er-Jahre. Seine Widersacherin Marlene Svazek nannte den Vergleich „grotesk und unverschämt“. Doch egal. Jetzt ist alles anders. Haslauer verrenkte sich, Swazek lachte, als dieser den Koalitionspakt verkündete. Schließlich wurde in der Präambel ein respektvoller Umgang festgeschrieben – und Toleranz. Na dann. Nach Oberösterreich und Niederösterreich regiert nun auch in Salzburg Schwarz-Blau. Für den FPÖ-Chef ein Freudentag. Herbert Kickl sieht sich dem Kanzleramt noch näher gekommen.
Ausgerechnet jetzt beginnt die Bundes-ÖVP halbherzig aggressiv gegen die FPÖ loszulegen. Ihr Generalsekretär Christian Stocker rückte aus, um die FPÖ als „Korruptionspartei“ zu ächten. Kann man machen, wenn gegen frühere Minister, gegen den Ex-Kanzler und selbst gegen die eigene Partei wegen Korruption ermittelt wird.
Was bezweckt Stocker, wenn er zugleich eine Zusammenarbeit der ÖVP mit der FPÖ in den Bundesländern begrüßt und eine Koalition mit den Blauen auf Bundesebene nicht ausschließt? Sebastian Kurz hat im 2017er-Wahlkampf das Programm der FPÖ kopiert. Schamlos? Vielleicht für jene in der ÖVP, die einen Verrat an den christdemokratischen Werten erkannt haben. Doch Kurz eroberte das Kanzleramt. Also alles richtig gemacht. Der Inhalt des Ibiza-Videos sorgte dann dafür, dass die Wählerwanderung von der FPÖ zur ÖVP erst richtig einsetzen konnte.
Stocker weiß: Das kann die ÖVP nicht wiederholen. Zwar versucht die Kanzlerpartei wieder weit nach rechts zu blinken. Doch die einst enttäuschten Strache-Wähler haben längst wieder eine – zum Teil vorübergehende – Heimat bei Kickls FPÖ gefunden. Also greift die ÖVP jetzt Kickl frontal an, will so mit Blick auf den noch nicht fixierten Wahltag eine Art Schadensbegrenzung erreichen. Aber ein klares Nein zu einem blauen Koalitionspartner kommt ihr nicht über die Lippen. Verlogener geht’s kaum.
Denn so wie Kickl mit dem Salzburger Pakt zufrieden ist, so ist es auch ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler. Sie sieht dort gar die „konstruktiven Kräfte in der FPÖ“ am Werk. Wirklich jetzt?
Die Innenpolitik befindet sich längst im „Durcheinandertal“, um bei Friedrich Dürrenmatt Anleihe zu nehmen. Der bedeutende Schweizer Schriftsteller übte sich in seinem letzten Roman in grotesker Überzeichnung. Mit Sarkasmus kann man sich durchaus vor diesem politischen Treiben zu Pfingsten schützen. Wenn es nicht so bitter wäre.

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