TIROLER TAGESZEITUNG: Leitartikel vom 27. April 2017 von Michael Sprenger – Nur keine Veränderung

Innsbruck (OTS) Das reflexartige Nein zum Vorschlag von Rechnungshofpräsidentin Kraker, das politische System zu ändern, war leider erwartbar. Warum eigentlich? Weil das Trägheitsmoment stärker ausgeprägt ist als der Veränderungswille.

Seit Jahren gehört Stillstand zum meistverwendeten Attribut, wenn es darum geht, das politische System zu beschreiben. Wenn es um den Parlamentarismus geht, wird immer wieder der Begriff lähmend hinzugefügt. Die große Koalition wird als Hemmschuh für jegliche Reformen gebrandmarkt, die Sozialpartnerschaft als Schattenregierung bezeichnet.
Zwischendurch wird dann die Einführung eines Mehrheitswahlrechts gefordert – und wieder abgelehnt, und wenn es ein bisserl intellektueller sein soll, dann greift man gerne in den Zitatenschatz, um in Reden die Reformunfähigkeit zu beklagen. Oft zitiert wird in diesem Zusammenhang aus „Der Leopard“ von Giuseppe Tomasi di Lampedusa: „Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, dass sich alles verändert.“ Doch damit hat es sich dann auch schon wieder.
Wenn dann einmal ein Vorschlag – wie zuletzt von Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker – kommt, um die vorherrschende Agonie aufzubrechen und das politische System weiterzuentwickeln, wird reflexartig Nein gesagt. Von den
Klubobleuten der beiden Regierungsparteien, der FPÖ bis hin zum Bundespräsidenten.
So als wollten uns alle sagen: Bei uns ist eh alles in Ordnung, wir brauchen keine Veränderung. Und überhaupt: Was mischt sich da die (ÖVP-nahe) Rechnungshofpräsidentin ein? Nur zur Erinnerung: Der Vorschlag ist nicht neu: Schon die frühere SPÖ-Nationalratspräsidentin Barbara Prammer sprach sich für die Einführung des „norwegischen Modells“ in Österreich aus. Doch so wie damals herrscht auch dieses Mal eine seltene Eintracht in der Ablehnung – einmal mehr Ausdruck einer nicht vorhandenen Debattenkultur.
Die Idee würde es jedenfalls verdienen, sich ernsthaft mit ihr auseinanderzusetzen. Die Nicht-Auflösbarkeit des Nationalrates während der Legislaturperiode
kann nur auf den ersten Blick als demokratiepolitisches Defizit interpretiert werden. Denn warum muss das Parlament neu gewählt werden, wenn sich – wie
hierzulande – SPÖ und ÖVP koalitionäre Scharmützel liefern und sich blockieren? Wenn eine Regierung scheitert, kann
man sich andere parlamentarische
Mehrheiten suchen. Dies würde mitunter, wie in Skandinavien oft der Fall, zur Bildung von Minderheitsregierungen führen. Es würde den Parlamentarismus stärken, weil die Mandatare plötzlich mehr wären als Anhängsel
der Regierung. Doch wollen sie das überhaupt?

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