TIROLER TAGESZEITUNG: Leitartikel vom 26. April 2019 von Peter Nindler – Sozialen Auftrag falsch verstanden

Innsbruck (OTS) Ohne gemeinnützige Bauvereinigungen gäbe es wohl keinen sozialen Wohnbau und kein leistbares Wohnen. Doch nach wie vor leisten sich Gemeinnützige zu viele Austritte aus ihrem gesellschaftlichen Auftrag. Weil die Richtlinien oft schwammig sind. Schon im Namen der gemeinnützigen Bauvereinigungen steckt der zentral­e Inhalt: Sie sind für den sozialen Wohnbau da und verwalten Sozialkapital für das geförderte Wohnungswesen. Umso wichtiger ist deshalb der verantwortungsbewusste Umgang mit diesem öffentlichen Auftrag. Besonders in Tirol, wo leistbarer Wohnraum Mangelware ist und hauptsächlich von den gemeinnützigen Wohnbauträgern geschaffen wird. Aber einmal mehr deckt der Prüfbericht des Bundesrechnungshofs Schwachstellen im System auf, die im Einzelfall wohl dem Umstand geschuldet sind, dass der Revisionsverband als Interessenvertretung der österreichischen Gemeinnützigen zugleich als ihr Prüforgan agiert. Darüber wird zwar noch die Aufsicht der Länder gestülpt, doch offenbar hapert es an einheitlichen Richt­linien etwa für verbindliche Verhaltensregeln (Compliance) in den Unternehmen.
Wenn von einer Tiroler Gemeinnützigen 22.000 Euro für aktive und ehemalige Mitglieder des Vorstands, des Aufsichtrats und deren Angehörige ausgegeben werden, um nach St. Petersburg zu reisen, muss man sich schon fragen, ob sie die gesetzliche und politische Verpflichtung richtig interpretiert. Ja, geht’s noch? Dadurch verkleinert sich der Abstand zwischen einer sozialen Bauvereinigung und einem Selbstbedienungsladen massiv. Zuletzt sorgte eine Wiener Bauvereinigung ebenfalls für Schlagzeilen und berief wegen Verletzung der Sorgfaltspflichten die Vorstände ab. Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass in dieser Gemeinnützigkeits-Blase manchmal ein eigentümliches Selbstverständnis reift: Die Bodenhaftung für den Nutzen an der Gemeinschaft geht verloren.
Deshalb kann man den umstrittenen Wohnungskauf der Gattin des Neue-Heimat-Geschäftsführers und Ex-Wohnbaulandesrats Hannes Gschwentner auch drehen, wie man will. Rechtlich gedeckt und von den Gremien abgesegnet, ist der Immobilien­erwerb von der eigenen Wohnbaugesellschaft eine Frage der Political Correctness. Nicht mehr und nicht weniger. Was hängen bleibt, ist allerdings eine schiefe Optik, die Gschwentner und dem sozialen Wohnbau schadet. Obwohl sich die vielen Wohnungssuchenden das Penthouse-Appartement ohnehin nicht leisten können, festigt das nur ein weit verbreitetes Vorurteil: Die da oben können es sich richten.
Gemeinnützige Bauvereinigungen genießen viele Vorteile und Vorrechte gegenüber privaten. Demut vor ihrem besonderen Auftrag für das Gemeinwesen müsste folglich selbstverständlich sein.

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