TIROLER TAGESZEITUNG: Leitartikel vom 25. September 2018 von Anita Heubacher – Die Masse ist die Macht der Senioren

Innsbruck (OTS) Jede Pensionserhöhung ist den Seniorenverbänden zu wenig und dem Rest zu viel. Altersdiskriminiert sehen sich Ältere, Junge und die dazwischen, auch weil der Dialog und die Paktfähigkeit zwischen den Generationen brüchiger werden.

Altersdiskriminierung funktioniert in alle Richtungen. Die Jungen sehen für sich weniger Chancen, fühlen sich und ihre Bedürfnisse zu wenig berücksichtigt, die Senioren, ob des Jugendwahns, zu schnell aufs Abstellgleis geführt und die Generation dazwischen meint, für alle aufkommen zu müssen. Zu kurz gekommen allesamt.
Man versteht sich nicht mehr, auch weil die Kommunikationslücke zwischen den Generationen inzwischen riesig ist. Eine deutsche Studie hat ergeben, dass lediglich drei Prozent der um die Jahrtausendwende Geborenen mit Mittfünfzigern außerhalb der Familie reden und umgekehrt. Den Rest besorgen Altlasten, Fehler im System, die aufgrund von Reformunwillen und aus Angst vor dem Wähler nie oder nicht ausreichend korrigiert wurden.
Dadurch hat sich ein Ungleichgewicht entwickelt. Die Macht der Älteren ist deren Anzahl. Das ist heute bereits so und wird in Zukunft durch die demographische Entwicklung und die steigende Lebenserwartung noch stärker werden. Schon jetzt investiert der Staat mehr in Ältere als in Junge. Konnte ein Pensionist 1970 seine Pension im Schnitt 14 Jahre genießen, sind es heute 22 Jahre. Ebenso gewachsen ist der Betrag, den der Staat jährlich zu den Pensionen zuschießen muss. Er hat sich verfünffacht. Als die Bundesregierung im Sommer den gut organisierten Senioren die Pensionen um zwei Prozent erhöhte, war das den Pensionistenvertretern immer noch zu wenig, dem Rest wurde aber ganz schummrig. Denn seit Langem macht sich die Überzeugung breit, dass sich das alles nicht mehr ausgeht. Dementsprechend brüchig ist der Generationenvertrag.
Um ein funktionierendes Zusammenleben zu gewährleisten, gehört der Generationenvertrag auf völlig neue Beine gestellt und gehören die Glacéhandschuhe in die Schublade verbannt. Längst schon müsste dem völlig antiquierten, weil ungleichen Pensionssystem eine Übergangsphase oder ein Stichtag für dessen Abschaffung als Rute ins Fenster gestellt werden. Ein Beamter geht im Schnitt mit rund 3100 Euro brutto im Monat in Pension, ein Lehrer mit 2800 Euro, ein Arbeiter oder Angestellter mit 1250 Euro, ein Notar mit 6000 Euro. Das nennt sich Solidargemeinschaft auf Österreichisch. Ebendie findet sich mit den gleichen Ungerechtigkeiten bei den Krankenkassen wieder. Natürlich auch nach der jetzt beschlossenen „großen“ Reform der Sozialversicherungen. Neben der Masse zählt die Klientelpolitik in jeder Regierungskonstellation.

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