TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 25. April 2018 von Christian Jentsch „Europa, Trump, Bussi und Entfremdung“

Innsbruck (OTS) In Washington rollt US-Präsident Donald Trump für Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron den roten Teppich aus. Doch die Differenzen zwischen den USA und Europa drohen immer größer zu werden.

Bussi-Bussi in Washington: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wird in der US-Hauptstadt der rote Teppich ausgerollt. US-Präsident Donald Trump und First Lady Melania Trump organisierten für Macron und dessen Ehefrau Brigitte erstmals einen Staatsbesuch mit viel Glanz und Gloria. Schließlich will sich Trump für den pompösen Empfang in Paris zum französische­n Nationalfeiertag im Juli des Vorjahres revanchieren. Damals dinierten die beiden First Couples am Eiffelturm, herzten sich und bekräftigten ihre enge Freundschaft. Das machen sie nun in Washington wieder. Macron, von vielen als Retter Europas gepriesen, hat offenbar einen Draht zu Donald Trump gefunden. Jenem US-Präsidenten, der mit der Abrissbirne durch das Weltgeschehen poltert, der das Fundament der – von den USA selbst geschaffenen – westlich-liberalen Weltordnung ins Wanken bringt, der dem Multilateralismus abschwört, der seine Verbündeten vor den Kopf stößt, der dem weltweiten Freihandel den Kampf ansagt, der auf den Rechtsstaat schimpft und der auf Diplomatie und Benimmregeln schlicht und einfach pfeift.
Macron und Trump verkörpern in vielem das genaue Gegenteil und doch können sie miteinander. Da mögen strategische Interessen eine Rolle spielen, aber gerade für Trump gilt auch und vor allem: Macron schmeichelt Trump und das öffnet beim unkontrollierten Narzissten Trump viele Türen. Da bleibt die nüchterne deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die den US-Präsidenten nach seinem Amtsantritt zur Einhaltung westlicher Werte ermahnte, außen vor.
Doch eines ist auch klar: Bussi-Bussi alleine ist zu wenig. Auch für den zur neuen Lichtgestalt Europas ernannten Macron. Sein Anbiedern an Trump muss auch Resultate bringen. Und da gibt es einiges zu regeln in den zerrütteten transatlantischen Beziehungen. Bis zum 1. Mai muss Trump entscheiden, ob er die EU auch weiterhin von den Strafzöllen auf Stahl und Aluminium ausnimmt oder aber einen neuen Handelskrieg entfacht. Und es geht um das 2015 als historisch gefeierte Atomabkommen mit dem Iran, das Trump kündigen will und damit nicht nur den Nahen Osten in einen neuen Kriegsschauplatz verwandeln könnte. Europa möchte ihn davon abhalten, doch Trumps neuer nationaler Sicherheitsberate­r, John Bolton, gilt als Kriegstreiber. Es gibt viel zu kitten in den Beziehungen zwischen den USA und Europa. Und unabhängig davon täte Europa gut daran, sein Schicksal endlich mehr selbst in die Hand zu nehmen. Trump wird uns nicht den Weg weisen.

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