Tiroler Tageszeitung „Leitartikel“ vom 25.05.18 von Christian Jentsch „Italien neu als Abrechnung mit dem Alten“

Innsbruck (OTS) - In Rom geht eine neue Populisten-Regierung ans Werk. Die Versprechen der Fünf Sterne und der Lega halten der Realität wohl nicht stand. Aber eines ist auch klar: Die politische Vergangenheit schrie nach einem Wandel.

Jetzt hat Italien dann wohl bald eine neue Regierung. Fast drei Monate hat es gebraucht, bis die Protestpartei Fünf Sterne unter ihrem Chef Luigi Di Maio und die rechtspopulistische Lega unter ihrem Ober-Polterer Matteo Salvini trotz all der im Wahlkampf offen zur Schau getragenen Feindschaften zueinandergefunden haben und Präsident Sergio Mattarella den von beiden Parteien nominierten politischen Nobody Giuseppe Conte als neuen Premier absegnet hat. Der Kampf gegen das Alte, das Etablierte soll die einstigen politischen Feinde einen – wie lange die auf den ersten Blick seltsame Liaison halten wird, steht freilich in den Sternen. Und ist fürs Erste auch nicht wirklich entscheidend. Italien soll nun in erster Linie anders werden. Wieder einmal.
In der von Silvio Berlusconi geschaffenen politischen Wüste sind die Fünf Sterne und die Lega die logischen Wahlgewinner. Berlusconi hat das Land nachhaltig verändert. Der Cavaliere hat die politische Bühne ganz offen für seinen persönlichen Vorteil genutzt. Für eine längerfristige Perspektive für Italien gab es da keinen Platz. Es ging um die Show, um Geschäfte, um einen Lebensstil, der es mit den Gesetzen nicht ganz so ernst nahm. Ein zweifelhaftes Vorbild als Staatenlenker. Und die vollmundigen Versprechen verpufften ohnehin bald im politischen Nirwana. Doch nicht nur Berlusconi hat seine Spuren hinterlassen. Auch die nun laut aufschreienden und bisher regierenden Sozialdemokraten haben es nicht geschafft, den Süden des Landes aus dem Würgegriff von Korruption, Misswirtschaft, mafiösen Verstrickungen und aus der Armut zu befreien. Und das Land aus der ruinösen Schuldenfalle zu führen. Einige wollten nicht, andere konnten nicht. Die Bilanz ist jedenfalls alles andere als rosig. Und das, obwohl Italien die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ist und über genügend Potenzial verfügt. Wer kann es einem Süditaliener also verdenken, die Anti-Establishment-Bewegung Fünf-Sterne gewählt zu haben. Was hatte er schon zu verlieren? Da spielt es auch nur eine untergeordnete Rolle, dass die süßen Wahlzuckerln wie Steuersenkungen und Grundeinkommen angesichts der immensen Staatsverschuldung Italiens nicht zu stemmen sind. Wurden denn die bisherigen Versprechen eingehalten? Die neue Regierung in Rom ist die Abrechnung der Wähler mit jenen, deren Leistung schlicht und einfach ungenügend war. Daran sollte man denken, wenn man über die neuen Populisten und den Wählerwillen urteilt.

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