TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 24. März 2023 von Karin Leitner „„Projekt Ballhausplatz“ Nummer 2“

Innsbruck (OTS) Was nun in Niederösterreich passiert, wird für ganz Österreich vorbereitet. Die ÖVP will sich um des Machterhalts willen wieder mit der FPÖ zusammentun. Der viel kritisierte Herbert Kickl wird dafür kein Hindernis sein.

Es ist formal vollbracht. Das Arbeitsübereinkommen von ÖVP und FPÖ in Niederösterreich ist besiegelt. Johanna Mikl-Leitner ist erneut zur Landeshauptfrau in der Proporzregierung gewählt, Blauen-Chef Udo Landbauer ist ihr Vize.
Verwerflich ist das Geschehen. Der Pakt unterminiert einmal mehr die Glaubwürdigkeit von Politikern. Vor der Wahl hatte Mikl-Leitner mehrfach versichert, dass die FPÖ ob ihrer Verfasstheit – rechtsextreme Umtriebe, Waldhäuslei – kein Partner sein könne. Vor der Wahl hatte Landbauer versichert, dass Mikl-Leitner als Landeshauptfrau unmöglich sei. Einst sagte Mikl-Leitner ob Landbauers Liederbuch-Affäre: „Ich werde nicht dabei zusehen, wie durch einen sorglosen Umgang mit Antisemitismus und unserer Geschichte der Ruf Nieder­österreichs geschädigt wird.“ Und nun: Mit Hitlergruß posierende Freiheitliche sind kein Problem, auch Gottfried Waldhäusl ist keines. Zusammengetan haben sich die beiden Parteien – die FPÖ trickste bei Mikl-Leitners Wahl – für die kommenden fünf Jahre. Waldhäusl ist trotz unsäglicher Sager und Taten Zweiter Landtagspräsident. Nicht nur verbal, tatsächlich umarmten einander Vertreter beider Truppen bei der konstituierenden Landtagssitzung. Von „freiheitlicher Handschrift“ sprach Landbauer. Zu Recht: Mikl-Leitner trägt alles mit, was die bis dato kritisierten Blauen wollten. Darunter Unverantwortliches wie: Es werde in Niederösterreich „keine Werbemaßnahmen mehr für die Corona-Impfung“ geben. Die ÖVP macht Wissenschaftsfeindlichkeit salonfähig. Haltung weg, Sinneswandel da – wenn es um den Machterhalt geht. Einstige christlich-soziale Werte sind auch für die Bundes-ÖVP nach wie vor vergessen.
Karl Nehammers „Rede zur Zukunft der Nation“ war von Anbiederung an die Freiheitlichen geprägt: Kein Aus für den Verbrennungsmotor, Sozialleistungen für Ausländer sind zu kürzen. Die Wahrscheinlichkeit der Wiederkehr von Schwarz-Blau sei auch im Bund massiv gestiegen, befand der einstige ÖVP-EU-Kommissar Franz Fischler ob der Causa Niederösterreich kürzlich in der TT. In der Tat: Die Koalition mit den Grünen ist gelaufen, auch wenn diese noch so ihre Werte aufgeben, um auf Regierungsposten zu bleiben. Das „Projekt Ballhausplatz“ läuft, für das auch Herbert Kickl an der FPÖ-Spitze kein Hindernis sein wird. Es geht – wie in Niederösterreich – um den Machterhalt. Und die SPÖ ist wegen ihres Zustandes bester Helfer für ein Bündnis, gegen das sie im Jahr 2000 mobilisiert hat. Eine derartige Chaos­partie wird den Rechtsruck im Land nicht verhindern.

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