TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 23. Dezember 2017 von Christian Jentsch „Abfuhr für Rajoys Hau-drauf-Politik“

Innsbruck (OTS) - Die Rechnung der spanischen Regierung ist nicht aufgegangen: Mit der diktierten Neuwahl konnte man die Separatisten in Katalonien nicht in die Knie zwingen. An einem echten Dialog kann kein Weg vorbeiführen.

Und wieder haben die Separatisten in Katalonien triumphiert. Diesmal ganz offiziell bei einer von Madrid diktierten Neuwahl, nachdem der sich unerbittlich zeigende spanische Zentralstaat die Regionalregierung in Barcelona entlassen, Minister hinter Gitter gebracht und die wirtschaftsstarke Region unter Zwangsverwaltung gestellt hat. Jene drei Parteien, die sich von Spanien lossagen wollen – darunter als stärkste Kraft die Allianz des von Madrid abgesetzten und nach Brüssel geflüchteten Ex-Regionalpräsidenten Carles Puigdemont –, erreichten erneut die absolute Mehrheit. Das heißt nicht, dass die Mehrheit der Katalanen auch wirklich mit aller Vehemenz die Unabhängigkeit von Spanien fordert. Immerhin wurde die dezidiert pro-spanische Partei Ciudadanos (Bürger) klar stärkste Fraktion im katalanischen Parlament.
Doch eines ist klar: Das Wahlergebnis ist eine schallende Ohrfeige für die unnachgiebige und ganz und gar überzogene harte Linie des rechtskonservativen spanischen Regierungschefs Mariano Rajoy in der Katalonien-Politik. Schon beim gerichtlich untersagten Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober ließ er die paramilitärische und in Katalonien ganz und gar nicht gern gesehene Polizeieinheit Guardia Civil volle Härte demonstrieren. Wahllokale wurden gestürmt, Bürger wurden mit Knüppeln an der Stimmabgabe gehindert – für eine europäische Demokratie eine gelinde gesagt weit überzogene Reaktion gegen die eigenen Bürger. Auch in der Folge ließen Rajoy und der spanische Zentralstaat die Muskeln spielen und jegliches Fingerspitzengefühl vermissen. Madrid verweigerte den Dialog mit den katalanischen Separatisten, die ihrerseits auf Konfrontation setzen. Diese kompromisslose Haltung beider Seiten musste in der Sackgasse enden. Sicher haben die katalanischen Separatisten den Bogen überspannt, doch auch Madrid und hier vor allem Rajoy sei ins Stammbuch geschrieben: Mit Gewalt und Zwang schafft man keine Einheit und keinen Frieden. Mit dieser Politik erreicht man vielmehr genau das Gegenteil. Und Demütigung schafft kein Vertrauen. Wer die prolongierte Krise in Katalonien und ganz Spanien überwinden will, muss endlich neue Wege finden. Es ist höchst an der Zeit, die spanische Verfassung, die im Schatten der nach wie vor totgeschwiegenen Franco-Diktatur geschrieben wurde, zu reformieren. Es ist höchst an der Zeit, Spanien in Richtung eines föderalen Staates umzubauen. Und es ist höchst an der Zeit, Katalonien ein neues Autonomie-Statut mit erweiterten Rechten wie etwa für die Basken anzubieten. Nur dann hat Spanien als Staat für alle auch eine Zukunft.

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