Tiroler Tageszeitung „Leitartikel“ vom 23.05.18 von Michael Sprenger „Ein großer Wurf – für die Regierung“

Innsbruck (OTS) Woran das Kabinett Wolfgang Schüssel noch scheiterte, will jetzt Schwarz-Blau II vollenden. Die angestrebte Kassenreform geht mit einer klaren Machtverschiebung hin zur Arbeitgeberseite einher.

Schwarz-Blau I versuchte sich bereits an der großen Reform der Sozialversicherungen. Doch letzten Endes scheiterte man an seinen Ansprüchen – und am unerwarteten Widerstand des ÖVP-Arbeitnehmerflügels und Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Lediglich die Demontage des streitbaren Gewerkschafters Hans Sallmutter an der Spitze des Hauptverbandes wurde von Schwarz-Blau erzwungen.
Wenn man so will, hat die Neuauflage von Schwarz-Blau aus den handwerklichen Fehlern des Kabinetts Schüssel I gelernt. FPÖ und ÖVP haben ihr Vorhaben bereits im Regierungsprogramm festgeschrieben. Trotz der von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein verursachten kommunikativen Verunsicherung rund um die AUVA gelang es der Regierung, die Sozialversicherung in ein schlechtes Licht zu rücken. Über die Bande des Boulevards wurde gezielt der Vorwurf erhoben, die Sozialversicherungen gingen schlampig mit den Beitragsgeldern um. Zugleich wurde seit Wochen von Regierungsseite einprägsam eine schlichte Erzählung wiederholt. Aus 21 Sozialversicherungsträgern sollen maximal fünf werden, denn man wolle „im System sparen“. Nicht die Patienten verlören am geplanten Reformvorhaben, sondern die viel zu vielen Funktionäre in der Verwaltung. Zu guter Letzt kam der Bundesregierung der Wechsel an der Spitze der Bundeswirtschaftskammer zupass. Denn Leitls Nachfolger Harald Mahrer machte von Anfang an klar, dass er an den Regierungsplänen nichts auszusetzen hat, sondern sie sogar voll und ganz unterstützt. So konnten nun Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache „eines der größten Reformprojekte in der Zweiten Republik“ verkünden. Die Bundesregierung landete also ihren ersten großen Wurf.
Ob die angestrebte Kassenreform wirklich zur Absicherung des sehr guten Gesundheitssystems – oder gar zu einer Verbesserung – führt, bleibt offen. Zwar verspricht die Regierung österreichweit „gleiche Leistungen für gleiche Beiträge“, doch wie sie diese Harmonisierung umsetzen will, bleibt aufs Erste unklar. Klar ist jedoch, dass die Reform mit einem Systemwechsel einhergeht. Zwar bleibt, anders als anfangs geplant, die Selbstverwaltung erhalten, aber die Machtverhältnisse werden von der Arbeitnehmerseite hin zu den Arbeitgebern verschoben. Das Ende der gelebten Parität lässt vor allem die Industriellenvereinigung frohlocken. Das ist jedenfalls bemerkenswert.

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