TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel vom 21 .Januar 2021 von Marco Witting „Verspieltes Vertrauen“

Innsbruck (OTS) Innsbrucks Stadtregierung ist am Tiefpunkt angekommen. Das Bild, das man in den vergangenen Monaten abgegeben hat, ist erbärmlich. Wie es jetzt weitergeht, ist völlig ungewiss. Dabei hätte Georg Willi noch immer viele Möglichkeiten.

Wer hat wen gewählt? Kaum war das Ergebnis der neuerlichen Vizebürgermeisterwahl im Inns­brucker Gemeinderat bekannt und der FPÖ-Jubel verklungen, gingen die Spekulationen los. Wer hat sich nicht an das Versprechen gehalten, die SPÖ-Kandidatin Elisabeth Mayr zu wählen? Wer hat sich jetzt wirklich enthalten? Welche Koalitionäre haben in der geheimen Abstimmung die FPÖ gewählt? Zu den Spekulationen kamen die gegenseitigen Schuldzuweisungen, teils schriftlich und teils mündlich. Von außen die Häme. Innsbrucks Viererkoalition ist am Tiefpunkt angekommen. Nicht nur für die SPÖ ist das Ergebnis eine Ohrfeige: Für Bürgermeister Georg Willi ist es noch die größere politische Watsch’n. Eine, die bei den Grünen sichtlich Wirkung gezeigt hat.
Kommunalpolitik ist ein hartes Geschäft. Die Grünen und ihr Bürgermeister waren in der Vergangenheit beim Austeilen (Oppitz-Plörer-Abwahl) nicht gerade zimperlich, beim Einstecken (Schwarzl-Abwahl) dafür weinerlich. Jetzt sitzt rechts neben Willi ein FPÖ-Vizebürgermeister, der kein Amt führen wird. Ein Desaster für den Stadtchef, der seinen Teil zum Dilemma beigetragen hat. Die Blauen einzubinden, das ist im grünen Klub nie durchzusetzen. Aber nicht nur zwischen den Parteien gibt es Bruchlinien. Auch in etlichen Fraktionen kracht es. So versinkt die Stadtregierung im Chaos. Wichtige Projekte verstauben seit Monaten in den Schubladen und die Populisten lachen sich in ihren Videos ins Fäustchen.
Und nun? Einen Neuanfang hat diese Koalition schon zigmal versucht. Er ist stets gescheitert. Mantraartig klammerte man sich an das im Mai 2018 geschlossene Koalitionsabkommen. Es ist de facto wertlos. Dafür sorgt einerseits die Corona-Pandemie mit nun völlig veränderten Voraussetzungen und andererseits der Vertrauensverlust innerhalb der Koalition.
Auch sonst hat man viel Vertrauen verspielt. Beim Wähler. Das Bild, das die Inns­brucker Stadtpolitik in den vergangenen Monaten abgegeben hat, ist erbärmlich. An einen Ausweg glauben mittlerweile nur noch die wenigsten. Viel mehr droht, auch weil im Endeffekt niemand eine Neuwahl riskieren will, das Weiterwurschteln.
Der ausgebildete Mediator Georg Willi hat es noch immer in der Hand, das Steuer herumzureißen. Diese Koalition zusammenzuführen oder eine neue Konstellation zu führen. Gelingt ihm das nicht, ist nicht nur seine Koalition gescheitert. Sondern auch er.

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