Tiroler Tageszeitung, Leitartikel vom 20. Jänner 2023. Von Marco Witting: „Verkehrskonzepte und die Steinzeit“.

Innsbruck (OTS) Während andere Städte durchgehend Tempo 30 umsetzen, den Individualverkehr verbannen oder größere Autos höhere Parkgebühren zahlen sollen, passiert hierzulande … nichts. So bleiben volle Straßen und inhaltsleere Dogmen.

Werbetechnisch wollte Innsbruck ja gerne Weltstadt sein. Das ist sich irgendwie nicht ausgegangen. Aus mehrerlei Gründen. Auch was die Mobilität der Zukunft betrifft, ist man hierzulande – und das gilt nicht nur für die Landeshauptstadt, sondern teilweise auch für die Bezirksstädte – tiefste Provinz. Tempo 30 abseits von Hauptdurchzugsstraßen ist genauso tabu wie eine Umweltzone, die Verbannung von Dieselfahrzeugen oder der Wegfall von Oberflächenparkplätzen. Das alles geht nicht, weil … die Wirtschaft dann darunter leidet; eine Wahl ansteht; der Autofahrer nicht verteufelt werden darf oder will; das ja eh der Umwelt nichts bringt oder ja sonst auch niemand macht. Man kann die Schublade mit Argumenten schier vor sich sehen, die bei etwaigen Diskussionen geöffnet wird.
Nun. Andere machen es. Paris etwa flächendeckend den 30er und die Verbannung von Verbrennermotoren. Mit einer Weltstadt zu groß gedacht? Graz steigt beim Tempo schon längst auf die Bremse. Erweitert die entsprechende Zone jetzt um weitere 15 Straßen. Aus der steirischen Landeshauptstadt kommt auch der Vorschlag, höhere Parkgebühren für größere Autos zu verlangen. Ein Modell, das aus Tübingen (90.000 Einwohner) in Deutschland kommt. Warum auch nicht? Wer mehr Platz braucht, kann auch dafür zahlen. Und in Tirol? Volle Straßen, inhaltsleere Dogmen dominieren das Bild.
In Innsbruck wird um jeden Meter 30er-Zone und jeden oberirdischen Parkplatz gerungen, als hänge die Zukunft der Stadt davon ab. Nirgendwo wird die Spaltung im Gemeinderat so deutlich wie bei Verkehrsthemen. Und man vergisst dabei tatsächlich, dass sich die Mobilität in eine neue Richtung entwickeln wird. Entwickeln muss. Mehr Umweltschutz. Mehr Lebensqualität. Mehr Platz. Weniger Lärm. Weniger Stau. Das sollte eigentlich keine Utopie, sondern die Vision für eine menschenfreundliche Politik in einer Stadt sein.
Ja. So etwas geht nicht von heute auf morgen. Es geht nur Schritt für Schritt. Hand in Hand mit den Menschen. Gerade deshalb ist es höchste Zeit, dass man sich etwa in Innsbruck nicht länger in ideologische Grabenkämpfe verstrickt, nur weil man damit ein paar Cent vom politischen Kleingeld wechseln kann, sondern sich ernsthaft und faktenbasiert mit der Zukunft beschäftigt. Und da werden der öffentliche Nah- und der Radverkehr eine noch viel wichtigere Rolle spielen, die Fußgänger deutlich mehr Platz brauchen und die Autos zurückgedrängt werden müssen. Sonst kann sich Innsbruck künftig statt alpin-urban auch steinzeitlich-urban nennen.

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