TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 19. September 2023, von Peter Nindler „Der Fall ins Bodenlose“

Innsbruck (OTS) Mit der beabsichtigten Umwidmung von zehn Hektar landwirtschaftlicher Vorsorgefläche in ein Gewerbegebiet droht ein riesiger Sündenfall in der Tiroler Bodenpolitik. Der politisch zuständige Josef Geisler gerät selbst verschuldet in die Bredouille.

Wenn auf 100.000 Quadratmetern hochwertigsten Ackerböden ein Gewerbegebiet entstehen soll, ist das Ausdruck einer verfehlten Bodenpolitik in Tirol. Schließlich sollten die landwirtschaftlichen Nutzflächen in St. Johann und Oberndorf für die Entwicklung einer leistungsfähigen und nachhaltigen Landwirtschaft erhalten bleiben. Deshalb wurden sie Mitte 2019 bewusst als landwirtschaftliche Vorsorgeflächen ausgewiesen.
Zum anderen geht es um den viel diskutierten Bodenfraß. Wie kann es sein, dass zehn Hektar fruchtbarstes Ackerland durch Gewerbeansiedelungen versiegelt werden und der höchste Bauernvertreter im Land, ÖVP-Bauernbundobmann und Agrar­referent LHStv. Josef Geisler, nicht sofort aufschreit? Weil er seit dem Vorjahr genauso für die Boden-, Raumordnungs- und Widmungspolitik politisch zuständig ist. Das kann sich nicht ausgehen, der augenscheinliche Interessenkonflikt schwächt Geisler nachhaltig. Tritt er für die Bauern und gegen die Umwidmung in ein Gewerbegebiet ein, wird ihm von der Wirtschaft eine noch größere bäuerliche Schlagseite vorgeworfen, als es bisher schon der Fall ist. Lässt Geisler das Gewerbegebiet jedoch zu, legt er sich mit seiner Klientel an. Seine Doppelrolle wird außerdem zum Damoklesschwert für die schwarz-rote Landesregierung.
So kann es auch nichts mit einer wirksamen Bodenschutzstrategie werden, die den täglichen Flächenverbrauch in Österreich auf 2,5 Hektar reduzieren soll. Zu doppelbödig agiert die Politik: nach außen hin hui, nach innen pfui. Nicht einmal die äußerst negativen fachlichen Stellungnahmen lassen Geisler die Stopptaste drücken.
Der Sündenfall hat aber bereits wesentlich früher begonnen. Warum hat der Bodenfonds des Landes dem Landeskulturfonds, der das 7,5 Hektar große Grundstück in St. Johann als landwirtschaftliche Tauschflächen benötigt hätte, dieses Ende 2019 ohne Absprache weggeschnappt? War die Umwidmung in ein Gewerbegebiet schon damals ein paktierter politischer Deal, der jetzt unbedingt eingehalten werden muss? Auf Kosten der Landwirtschaft sowie eines sorgsamen Umgangs mit Grund und Boden im Land.
Sollte es grünes Licht für das Gewerbegebiet im Leukental geben, würde das die Glaubwürdigkeit der Landesregierung in der Bodenpolitik massiv erschüttern. Und sich gleichzeitig einreihen in die berechtigten Zweifel, dass bei der Eindämmung der illegalen Freizeitwohnsitze oder der Mobilisierung von 3500 Hektar brachliegendem Bauland wirklich etwas weitergeht. Geisler wäre jedenfalls gefordert, aber er steckt in Interessenkonflikten fest.

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