TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 19. Februar 2020 von Peter Nindler „Europa zerfleddert auf der Brennerachse“

Innsbruck (OTS) Der Transitkonflikt symbolisiert nicht nur die schwierige Beziehung zwischen Tirol und der Europäischen Union. Er zeigt schonungslos die Krise der EU auf, weil sie sich immer weiter von den Menschen und sensiblen Regionen entfernt.

Das Verhältnis Tirols zur Europäischen Union ist ein durchaus spannendes. Und ein widersprüchliches. Der zuletzt wieder eskalierte Transitkonflikt passt deshalb ins Bild. Wie auch das Überwinden der Brennergrenze durch die europäische Einigung. Sie hat letztlich die Europaregion Tirol, Südtirol und Trentino ermöglicht. Zugleich zerfleddern gerade auf der Brennerachse die hehren Ansprüche der Europäischen Union.
Das viel zitierte Europa der Regionen wird durch den Brüsseler Zentralismus in der Verkehrspolitik ausgehebelt. Andererseits spielen Italien und Deutschland gerne auf ihrer eigenen politischen Orgel. Gemeinsam gegen Österreich und wenn es sein muss gegen die Europäische Kommission, wenn sie zu nachgiebig gegen­über den Tiroler Lkw-Fahrverboten agiert. Deswegen sind 25 Jahre nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union die seinerzeitigen Vorbehalte, die mit 56,7 Prozent zur geringsten Zustimmung aller Bundesländer zum EU-Beitritt geführt haben, aktueller denn je. Tirol will nicht endgültig unter die Räder kommen; weder im Verkehr noch bei den Freizeitwohnsitzen oder in der Landwirtschaft.
Die Sorgen sind berechtigt: Plötzlich wird der Brenner europäisch missinterpretiert und der Straßengüterverkehr heiliggesprochen. Obwohl die Bevölkerung entlang der Inntal- und der Brennerautobahn seit Jahrzehnten unter dem zunehmenden Lkw-Transit leidet und der Brennerbasis­tunnel eigentlich der europäische Leuchtturm für die Verlagerung auf die Schiene sein soll.
Die schrankenlose Kapitalverkehrsfreiheit begünstigt schließlich den Ausverkauf von Grund und Boden. Die Immobilienpreise explodieren, Wohnen wird für die Tiroler zum Luxus. Die kleinstrukturierte Landwirtschaft profitiert zwar massiv von den EU-Förderungen, doch im europäischen Wettbewerb der industrialisierten Agrarproduktion kann sie kaum noch mithalten. Die Marktpreise sind im Keller, die Ausgleichszahlungen lediglich die Krücke fürs Weitermachen.
Am Transit im sensiblen Alpenraum entzündet sich demnach der Zielkonflikt. Wachstum um jeden Preis verdrängt und belastet im EU-Binnenmarkt kleine Regionen. So kann auch der „Grüne Deal“ von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nicht gelingen. Mit der Natur zu wirtschaften, heißt Regionalität und die Ökologisierung der Wirtschaft zu fördern. Das muss die EU bedenken und nicht über umweltbewusste europäische Länder wie Tirol sprichwörtlich drüberfahren.

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