TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 18. Februar 2023 von Christian Jentsch „Eine längst begrabene Hoffnung“

Innsbruck (OTS) Die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz steht ganz im Zeichen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Und einer ungewissen Zukunft, die Nervosität und Aggression erzeugt.

Eine Woche vor dem ersten Jahrestag des Beginns des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine kamen gestern in München wieder Dutzende Staats- und Regierungschefs, Außenminister und Sicherheitsexperten zum dreitägigen Austausch im Luxushotel Bayerischer Hof zusammen. Doch dieses Jahr ist fast alles anders. Die Sicherheitskonferenz wurde zur Kriegskonferenz. In Europa tobt ein Krieg und niemand weiß, wann und wie er enden wird. Im Bestreben, der Ukraine beizustehen, wird die Münchner Sicherheitskonferenz zu einer Art Rüstungsbörse. Von wem erhält Kiew weitere militärische Unterstützung, und sollen nach der zugesagten Lieferung von Kampfpanzern nun auch Kampfjets, Langstreckenraketen oder Kriegsschiffe in die Ukraine geliefert werden? Es geht um rote Linien und die Überschreitung dieser. Es geht um die Frage, wann die NATO offen zur Kriegspartei wird – und wie weit Kremlchef Putin gehen kann und wird.
Darüber hinaus ist alles andere als klar, wohin die verkündete Zeitenwende führen soll und wer in einer noch nicht absehbaren neuen Weltordnung Regie führen wird. Es ist längst noch nicht ausgemacht, ob Demokratie und Rechtsstaatlichkeit überleben werden – auch im Westen. Und das Spiel mit den in politischen Sonntagsreden immer wieder propagierten Werten mutiert nur allzu oft zur Heuchelei. Eines ist aber klar: Im Schatten der Angst steigt die Nervosität und auch die Aggression. Nicht nur im Hinblick auf die russische Invasion in der Ukraine.
Auch das Säbelrasseln zwischen den USA und China wird immer lauter. Die beiden Weltmächte gehen immer öfter auf Kollisionskurs, trotz der engen wirtschaftlichen Verflechtungen. Die Gefahr steigt, dass aus einer Art Kalter Krieg ein heißer werden könnte. Und wie schnell eine Irritation aus dem Ruder laufen kann, zeigte sich zuletzt in der Affäre rund um die mysteriösen Flugobjekte am Himmel über den USA. Die USA sprachen von einem groß angelegten Spionageangriff, um dann doch wieder etwas zurückzurudern. Auf der anderen Seite wirft Peking Washington vor, bewusst neue Spannungen anzufachen. Und ist nicht mehr bereit, die alleinige Führungsrolle der USA anzuerkennen. Das Misstrauen auf beiden Seiten sitzt tief.
Vom Ende der Geschichte, das der US-Politologe Francis Fukuyama nach dem Zerfall der Sowjetunion prophezeit hat, kann keine Rede sein. Ganz im Gegenteil ist wieder ganz viel vom Kampf der Systeme und dem Streben nach der Führungsrolle auf der Weltbühne die Rede. Die Hoffnung auf eine friedvollere Welt ist längst begraben.

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