TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 16. Juni 2018 von Alois Vahrner „Arbeitszeit und die Sozialpartner-Krise“

Innsbruck (OTS) Die schwarz-blaue Bundesregierung macht Ernst mit dem heißen Eisen flexiblere Arbeitszeiten. Abseits des erwarteten Politstreits und der Gewerkschaftsproteste zeigt sich die tiefe Krise der österreichischen Sozialpartnerschaft.

Der Zeitpunkt war ganz bewusst gewählt und ein „Begrüßungs­geschenk“ der besonderen Art: Just zur Wahl des neuen ÖGB-Präsidenten Wolfgang Katzian verkündeten ÖVP und FPÖ ihre Einigung auf flexiblere Arbeitszeiten – mit weiterhin einer „Normalarbeitszeit“ von acht Stunden täglich und 40 bzw. 38,5 Stunden pro Woche, aber der viel leichteren Möglichkeit zum 12-Stunden-Arbeitsag und der 60-Stunden-Woche, wenn der Bedarf dazu besteht. Die Überstundenzuschläge sollen wie bisher bleiben.
Konfliktscheu kann man der neuen Regierung wahrlich nicht vorwerfen, schon eher die Art und das Tempo, wie sie die Reform im Nationalrat durchpeitschen will. Die Wirtschaft jubiliert, die Opposition und vor allem die Gewerkschaften schäumen – und sie drohen neben einer großen „Aufklärungskampagne“ auch mit Kampfmaßnahmen bis hin zu Streiks. Aufklärung über die Auswirkungen der Flexibilisierung ist tatsächlich nötig, aber hoffentlich von allen Seiten sachlich: weder mit falscher Lobhudelei noch mit Horror-Warnungen! Die Frage ist: Was gibt es für neue Möglichkeiten und wo drohen eventuell Schlechterstellungen für die Beschäftigten?
Das – wie zuvor schon bei der überfälligen Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten (damals im Vorwahlkampf an den Arbeitgebern vorbei und gegen die Stimmen der ÖVP) – entscheidet jetzt erneut die Politik: ohne vorangegangene Einigung der Sozialpartner, die diesem Anspruch immer seltener gerecht werden. Die Sozialpartnerschaft stand nach dem Krieg für gemeinsame Lösungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern am Verhandlungstisch. Sie war lange wesentlicher Pfeiler des Erfolgsweges, der Österreich zu einem der wohlhabendsten Länder gemacht hat. Ohne die Sozialpartner als mächtige „Nebenregierung“ ging wenig im Land. In den Zeiten des rot-schwarzen Stillstands bot sie leider immer weniger Lösungen, sondern wurde zu einem wesentlichen Teil des Problems. Wie sonst schaut Krise aus, wenn Österreichs Sozialpartner nicht einmal mehr imstande sind, die unmittelbarsten Fragen von Regeln von Arbeitsregeln und Löhnen zu lösen, quasi ihr unmittelbares Kerngeschäft. Dabei wäre eine zukunftsgerichtete Sozialpartnerschaft (die übrigens in den meisten Betrieben sehr gut funktioniert) extrem wichtig – gerade wegen der Globalisierung und der kommenden massiven Veränderungen durch die Digitalisierung. Da wird es im Sinne der Betriebe und der Beschäftigten noch viel mehr Kreativität und gemeinsame Kraftakte brauchen.

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