TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 15. Dezember 2020 von Christian Jentsch „Zu viele Nebelgranaten im Brexit-Irrgarten“

Innsbruck (OTS) Obwohl die Zeit drängt und die Konsequenzen einer Nicht-Einigung verheerend sein könnten, will eine Einigung auf ein Post-Brexit-Abkommen zwischen der EU und Großbritannien nicht gelingen. Das Brexit-Drama steckt in der Endlosschleife.

Am 31. Jänner 2020 trat Großbritannien aus der EU aus. Nach jahrelangem Herumirren im Brexit-Labyrinth, nach mehrmaligem Verschieben des Austrittsdatums, nach innenpolitischen Verwerfungen bei den Briten, die Boris Johnson den Weg an die Spitze der konservativen Tories und der Regierung ebneten, schien der Spuk endlich ein Ende zu haben. Nach den unendlichen Mühen rund um den Brexit-Scheidungsvertrag wollte der Optimist daran glauben, dass sowohl die EU als auch London aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben. In den Verhandlungen um ein Handelsabkommen, das nach dem Brexit und knapp einem Jahr Übergangsphase die neuen Beziehungen zwischen Europa und Großbritannien regeln soll, erwartete man sich nun eine professionelle Sicht auf die Dinge. Schließlich steht extrem viel auf dem Spiel: Bei einem harten Bruch drohen die engen wirtschaftlichen Bande mit einem Schlag gekappt zu werden.
Doch wer an Besserung glaubte, wurde wieder einmal eines Besseren belehrt. Geändert hat sich rein gar nichts. Das Brexit-Drama scheint in einer Endlosschleife gefangen zu sein. Und Fristen sind wohl nur dazu da, um nicht eingehalten zu werden. Die notwendigen Ratifizierungen für einen möglichen Vertrag sind gar kein Thema mehr. Es bliebe auch keine Zeit mehr dafür. Vergangenen Sonntag hätte wieder einmal der Tag der Entscheidung sein sollen – ob die Verhandlungen über einen Handelspakt abgebrochen werden oder doch noch ein Deal zustande kommt. Doch entschieden wurde wieder nichts. Es wird weiterverhandelt, ließen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der britische Premierminister Boris Johnson verkünden. Wobei Johnson kurz nach dem Telefonat mit von der Leyen betonte, dass ein „No Deal“ weit wahrscheinlicher sei als eine Einigung. Für diese Art der Verhandlungsführung gibt es nur ein Wort: Frotzelei.
In den zentralen Knackpunkten Wettbewerbsbedingungen, Fischerei und Streit-schlichtung hat es jedenfalls schon seit Langem keine Bewegung mehr gegeben. Beide Seiten haben sich immer tiefer eingegraben. Und:
Beide Seiten haben in den vergangenen Jahren in den Verhandlungen über einen Brexit-Vertrag und nun über ein Post-Brexit-Abkommen so viele Nebelgranaten geworfen, dass der Durchblick abhandengekommen ist. Und die Glaubwürdigkeit ist passé.
Der Weg aus dem Brexit-Irrgarten ist für viele nicht mehr nachvollziehbar, die Inszenierung des Brexit-Dramas längst zu einer schlechten Posse geworden.

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