Tiroler Tageszeitung, Leitartikel vom 14. November 2022. Von Anita Heubacher: „Was ist jedem Einzelnen Pflege wert?“.

Innsbruck (OTS) Der Pflegenotstand wird wohl dazu führen, dass der, der pflegt, mehr verdient. Das wird kaum jemand verkehrt finden, solange die öffentliche Hand bezahlt. Das Rezept geht zu Lasten der Erwerbstätigen und vor allem der Jungen.

Wahlkämpfe können mitunter richtig teuer werden. Damit sind nicht die Wahlplakate, sondern insbesondere die Wahlzuckerl gemeint. Kurz vor der Nationalratswahl 2018 stimmten alle Parteien, außer den NEOS, auf Bundesebene für die Abschaffung des Pflegeregresses. Jetzt mag es noch legitim sein, darüber nachzudenken, ob es Sinn macht, auf das Vermögen des zu Pflegenden oder dessen Ehepartner zuzugreifen (die Kinder waren ohnehin außen vor), aber den Pflege­regress abzuschaffen, ohne eine Gegenfinanzierung auf die Beine zu stellen, war unverantwortlich. Vor allem gegenüber den Erwerbstätigen, die Steuern zahlen, und vor allem gegenüber den Jungen. Der Bund hielt den Zugriff auf das Einfamilienhaus zur Finanzierung der Pflege für unstatthaft, das Land sogar den Zugriff auf einen minimalen Prozentsatz des Einkommens der Kinder. Seit 2008 ist der Kinderregress abgeschafft. Seither zahlen nicht mehr die Kinder zur Betreuung ihrer Eltern etwas dazu, sondern die Allgemeinheit um vier Millionen Euro im Jahr mehr. Dazu kommen 41 Millionen Euro für die Abschaffung des Pflegeregresses. Pro Jahr und nur in Tirol.
Nun sind das politisch alte Hüte, die sich wohl weder ein Politiker auf Bundes- noch auf Landesebene wieder aufsetzen wird. Aber was uns die Pflege von uns selbst und unseren Angehörigen wert ist, darüber wird man dringend diskutieren müssen. Das ist so aktuell wie brennend. Zur demographischen Entwicklung – also dass wir immer älter und die Älteren immer mehr werden – kommt, dass die Pflege zu Recht an Selbstbewusstsein zugelegt hat und dies in Gehaltsforderungen mündet. Die wird man wohl beherzigen müssen, schließlich ist die Personalnot groß. In den Spitälern, in den Heimen und in den Sozialsprengeln.
Das größte Heer an BetreuerInnen und PflegerInnen findet sich noch immer zu Hause. 78 Prozent der Pflegegeldbezieher leben zum Wohle aller, aber zur physischen und psychischen Belastung der Angehörigen noch in der eigenen Wohnung. Auch darüber wird man reden müssen, wie man den Beitrag dieser Angehörigen wertschätzt. Also monetär bewertet und wie man das finanziert. Derzeit ist es so, dass nicht sie, sondern die belohnt werden, deren Angehörige im Altenheim gepflegt werden. Dort zahlt seit der Abschaffung der Regresse in den allermeisten Fällen die öffentliche Hand, ohne soziale Staffelung, ohne Rücksicht auf Vermögen. Bei Letzterem schaut die Politik in Österreich lieber weg als hin, wenn es um die Besteuerung geht. Schließlich stehen in Österreich fast immer Wahlen an. Auf Bundes- oder auf Landesebene.

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