TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 14. Juni 2018 von Florian Madl „Das amerikanische Zeitalter beginnt“

Innsbruck (OTS) - Die Vergabe der Fußball-WM 2026 an USA/Kanada/Mexiko folgt dem gängigen Vergabe-Zyklus. Wer Geld hat und internationaler Aufmerksamkeit bedarf, leistet sich eine Großveranstaltung. Europa passt nicht in dieses Schema.

Die Epochen des Weltsports lassen sich mittlerweile den Kontinenten zuordnen. Olympischen Winterspielen (Pyeongchang 2018) folgen Sommerspiele (Tokio 2020) und wiederum Winterspiele (Peking 2022) – das asiatische Zeitalter dauert noch an. Und es folgt ein amerikanisches mit der Fußball-WM 2026 (USA, Kanda, Mexiko), den Sommerspielen 2028 (Los Angeles) und möglicherweise den Winterspielen 2026 (Calgary/CAN).
Die gestrige Vergabe der Fußball-WM 2026 lässt einige Schlüsse zu. Die Industriestaaten enteilen den Schwellen- und Entwicklungsländern, solange diese über keine Finanzreserven verfügen (Russ­land), allerhand Zugeständnisse machen, auf Volksentscheide verzichten (China) oder aufgrund ihrer Größe von wirtschaftlichem Interesse sind (Brasilien). Gegenkandidat Marokko hatte bei der Vergabe der Fußball-WM 2026 in Wahrheit nie eine Chance, die Schmeicheleinheiten der FIFA für einen unterlegenen Bewerber sollten in erster Linie keine späteren Kandidaten verprellen.
Ob damit ein Kelch an den Nordafrikanern vorbeigegangen sein könnte? Wer an die verwaisten Stadien Südafrikas denkt (Fußball-WM 2010), muss wohl die Sinnhaftigkeit mancher Investitionen in Frage stellen. Nicht anders Brasilien, das sich mit der Fußball-WM 2014 und den Sommerspielen 2016 zwei Großereignisse leistete und wohl auch ein finanzielles Grab schaufelte. Noch lange wird man zwischen São Paulo und Rio de Janeiro an Jahre voller Versprechungen denken, denen nun solche der Entbehrungen folgen. WM und Olympia wirkten wie ein Placebo, das Skandale wie die Korruptionsaffäre der Präsidentin und das Amtsenthebungsverfahren ihres Nachfolgers oder die Vetternwirtschaft im staatlichen Energiekonzern Petrobras kurzfristig in den Hintergrund treten ließen. Die sozialen Probleme in Brasilien sind groß wie nie, die Sicherheitslage angespannt wie selten zuvor und die propagierte Nachhaltigkeit der Großereignisse kein Thema mehr. Allein – der Weltfußballverband FIFA nimmt davon ebenso keine Notiz mehr wie das Internationale Olympische Komitee (IOC), der Wanderzirkus der Versprechungen ist längst weitergezogen. Wohltäter sind weder die einen noch die anderen.
Der Glanz von Großereignissen überstrahlt die Realität oft bis zur Unkenntlichkeit. Und davon geblendet übernehmen sich gerne jene Staaten, die nach Aufmerksamkeit gieren. In westlichen Demokratien hingegen, das untermauern die zuletzt negativen Olympia-Volksentscheide Europas, setzt sich diesem Risiko keiner mehr aus.

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