TIROLER TAGESZEITUNG: Leitartikel vom 14. Juli 2018 von Christian Jentsch – Die mäßige Lust auf Hilfe vor Ort

Innsbruck (OTS) Das Treffen der EU-Innenminister in Innsbruck stand ganz im Zeichen der Verschärfung der Asylpolitik. Doch wer die Migration nach Europa stoppen will, muss den Herkunftsländern helfen. Der Tropfen auf den heißen Stein genügt nicht.

Die Rede ist von einer kopernikanischen Wende, von einem Paradigmenwechsel, einer „Kooperation der Tätigen“. Die Rede ist von Rückkehrzentren, Transitzentren, Ausschiffungsplattformen Anlandeplattformen und einer streng geschützten EU-Außengrenze. Beim Treffen der EU-Innenminister in Innsbruck wurde offenbar über nichts anderes mehr geredet, als gäbe es sonst nichts mehr zu bereden. Was im September 2015 am Höhepunkt der Flüchtlingskrise geschehen ist, soll künftig schon im Keim erstickt werden. Die Grenzbalken sollen sich für Flüchtlinge nicht mehr öffnen, Europa will seine Außengrenzen dicht machen. Das ist die Kernaussage der neuen Asylpolitik, die von Österreich, Italien und dem deutschen Innenminister Horst Seehofer kräftig angeschoben wird. Das ist die eine Seite der Medaille.
Die andere Seite rückt weit weniger in den Fokus. Sie ist auch nicht so gut zu vermarkten, politisch zu inszenieren. Dabei geht es darum, die Ursachen der Migration in den Herkunftsländern zu bekämpfen. Italiens neuer starker Mann, Innenminister Matteo Salvini, mahnt zwar zu mehr Hilfe für Libyen. Dabei geht es freilich nur darum, sicherzustellen, dass die in Libyen gestrandeten Flüchtlinge an der Überfahrt nach Europa gehindert werden. Doch Libyen ist ein komplett zu Grunde gerichteter Staat, mit Regierung, Gegenregierung und zahlreichen Milizen, die große Landstriche kontrollieren. Da braucht es also mehr als große Worte. Und generell: Was die Unterstützung für Afrika betrifft, ist das bisher Geleistete nicht viel mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. „Der Schutz der EU-Außengrenze beginnt schon weit vor dieser Grenze, nämlich in den Ursprungsländern. Die Migration aus Afrika ist die neue große Herausforderung für die EU“, erklärte EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn der Tiroler Tageszeitung auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Sicher, ein EU-Afrika-Fonds wurde aufgelegt, das Problem erkannt. Doch solange Afrika als reiner Rohstofflieferant und „Abfallhaufen“ für Billigimporte dient, bleiben die Probleme bestehen, wird es weiter Migration geben. Und das wohl in weit größerem Umfang. Darüber hinaus verliert Europa zunehmend an Einfluss. Auf der Bühne der Weltpolitik droht ein gespaltenes Europa zum Zwerg zu werden. Da setzen ein irrlichtender US-Präsident, aber auch China und Russland die Agenda. Da draußen, vor unserer Haustüre, wo Millionen Menschen wie in Syrien vertrieben werden, hat Europa nichts mehr zu bestellen. Mit all den Folgen für ein Euro­pa, das auch jenseits der Abschottung ein Konzept braucht.

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