TIROLER TAGESZEITUNG: Leitartikel vom 14. April 2018 von Michael Sprenger – Schlechtes soziales Gewissen

Innsbruck (OTS) Die FPÖ sieht sich als „soziale Heimatpartei“ und betreibt doch auch Sozialabbau. Doch mit der höheren Mindestpension hat sie Recht. Die SPÖ reagiert darauf trotzig. Beide Parteien kämpfen um ihre Glaubwürdigkeit.

Die FPÖ betont immerzu, die „soziale Heimatpartei“ zu sein. Der Lockruf an enttäuschte ehemalige SPÖ-Wähler machte sich bezahlt. Zugleich büßten die Roten in den Regierungsjahren mit der ÖVP ihre Gestaltungskraft ein. Aber jetzt, in Regierungsverantwortung, erleben die Freiheitlichen einen unfreiwilligen Imagewandel. Egal, ob sie sich für Einsparungen bei älteren und langzeitarbeitslosen Menschen aussprechen, die Notstandshilfe abschaffen wollen – und zugleich für eine an Hartz IV erinnernden gekürzten Mindestsicherung eintreten:
Diese Sozialpolitik trifft die Schwachen und die Schwächsten in der Gesellschaft – und somit auch einen nicht unwichtigen Teil der Wählerschaft der „sozialen Heimatpartei“.
Nicht von ungefähr bemüht sich daher Vizekanzler und Parteichef Heinz-Christian Strache, offensiv gegenzusteuern. Er hat einen längst bekannten Punkt aus dem Regierungsprogramm herausgegriffen – und trommelt seit Tagen für die Einführung einer Mindestpension von 1200 Euro für Menschen mit 40 Beitragsjahren. Bei 30 Beitragsjahren sollen 1000 Euro Pensio­n garantiert sein
So weit, so gut. Doch wie reagiert die SPÖ darauf, die sich mit ihren Plänen, die Mindestpension nach ihren Vorstellungen zu erhöhen, bei der ÖVP immer wieder die Zähne ausgebissen hat? Sie wirkt ein wenig trotzig – weinerlich. So, als hätte sie ein schlechtes soziales Gewissen.
Während SPÖ-Chef Christian Kern prinzipiell eine erhöhte Mindestpension begrüßte, sie aber um ein Jahr früher als Strache – 2019 statt 2020 – realisieren will, ist sie für SPÖ-Frauenchefin Gabriel­e Heinisch-Hosek schlicht zu wenig. Sie will den Zugang zur Mindestpension erleichtern, indem als Grundlage nicht nur die Arbeitsjahre zählen, sondern auch Kinderbetreuung und Arbeitslosengeld-Bezug. Vielleicht hat es Heinisch-Hosek schon vergessen: Die SPÖ stellte in den vergangenen Jahren den Bundeskanzler, sie selbst gehörte einige Jahre der Regierung an. Die neue Bundesregierung von ÖVP und FPÖ, ihre Sozialpolitik, bietet genügend Anlässe für berechtigte Kritik. Doch es ist keinesfalls unredlich – auch nicht für eine Oppositionspartei –, eine erhöhte Mindestpension als das zu bezeichnen, was sie auch ist: eine positive Ausnahme in Zeiten, in denen die Regierung trotz Hochkonjunktur vor allem in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik spart. Man kann allerdings ruhig hinzufügen: Für eine selbsterklärte „soziale Heimatpartei“ ist das zu wenig.

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