Tiroler Tageszeitung „Leitartikel“ vom 14.2.18 von Karin Leitner „Die Chance auf Tabula rasa“

Innsbruck (OTS) Werden die Burschenschaften und ihr Einfluss in den Kabinetten bei der geschichtlichen Aufarbeitung in Blau ausge­spart, kann sich die FPÖ die Historikerkommission sparen. Sie fällt dann nämlich unter die Rubrik „Alibi-Aktion“.

Als Macher wollte Vizekanzler Heinz-Christian Strache in die Annalen eingehen, den ersten schwarz-blauen Bund vergessen machen. Die Vergangenheit hat ihn aber eingeholt – in Form der NS-Liedgut-Affäre in der Burschenschaft Germania. Berichte darüber als Bösartigkeit „linkslinker“ Medien abzutun, hat nicht funktioniert. Auch ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz machte Druck, bedeutete Strache, dass nicht zur Tagesordnung überzugehen sei. Kurz wusste: Derlei „Einzelfälle“ beim Koalitionspartner schaden à la longue auch ihm. Und so wurden die Regierenden betriebsam: Die Germania solle aufgelöst werden; ein Verwaltungsverfahren werde eingeleitet. Eine Historikerkommission werde installiert.
Nun haben die Freiheitlichen Genaueres dazu gesagt – begleitet von vielen Beteuerungen. „Wissentlich nationalsozialistisches Gedankengut“ habe „keinen Platz“ in der Partei; wer glaube, solches „in der FPÖ einfließen lassen“ zu können, solle „nicht auf ein Ausschlussverfahren warten, sondern gleich gehen“. Und: Die Kommission könne unabhängig, also ohne Zuruf von Blauen, werken – auch wenn ihr ein Parteifreund, der einstige Dritte Nationalratspräsident und Uni-Professor Wilhelm Brauneder, vorsitzt. Dabei gibt es bereits eine Vorgabe: Die Historie der Korporierten werde nicht untersucht – weil sie nicht untersucht werden könne, sagen Parteiobere. Burschenschaften seien schließlich keine Vorfeldorganisationen der FPÖ, sondern private Vereine („Da haben wir kein Weisungs- oder Durchgriffsrecht“). Formal mag das so sein. In der Praxis ist die Sache anders. Noch nie sind so viele Burschenschafter im Parlament vertreten gewesen wie seit der vergangenen Wahl. Burschenschafter regieren mit, sitzen in Ministerkabinetten. In der „Koordinierungsgruppe“ für die Kommission sind großteils Verbindungsleut’.
Angesichts dessen wollen Blaue den Bürgern weismachen, keinen Einfluss auf Germania und Co. zu haben? Um zu beleuchten, was in der FPÖ und dem Dritten Lager vonstattenging, bedarf es keiner Historikerkommission. Das ist umfassend dokumentiert. Spart die FPÖ die Burschenschaften aus – und eine davon ist ja der Anlass für Brauneders Engagement –, setzt sie sich dem Verdacht aus, eine Alibi-Aktion zu setzen, dass Lippenbekenntnissen nicht Taten folgen. Die Partei hat jetzt die Chance, Tabula rasa zu machen. Tut sie das nicht, kommt sie nicht aus dem Eck, in das sie sich immer wieder manövriert.

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