TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel vom 12 Mai 2020 von Max Strozzi – „Der Vertrauensverlust wiegt schwer“

Innsbruck (OTS) Erst verwehrt die Regierung den Wirten mit juristischen Winkelzügen die Entschädigung aus dem Epidemiegesetz, um sich dann als Retter der Gasthäuser zu präsentieren. Ein Vorgehen, unter dem auch das Vertrauen in das Rechtssystem leidet.

Etwa 500 Millionen Euro an Steuersenkungen macht das Wirte-Paket aus, das die Regierung gestern als Hilfsmaßnahme präsentiert hat. Die Halbierung der Umsatzssteuer auf nichtalkoholische Getränke ist allerdings bis Ende des Jahres befristet, die Abschaffung der Schaumweinsteuer stand bereits vor der Corona-Krise im Regierungsprogramm. Sie wäre also wohl so oder anders gekommen. Angesichts der 41.000 Gastronomiebetriebe in Österreich relativiert sich letztlich auch die Summe des Halbe-Milliarde-Pakets. Vom berühmten Tropfen auf dem heißen Stein war Montag die Rede, der Vergleich mit einem Taschentuch für den schweren Allergiker wurde bemüht. Branchen-Vertreter aus der Wirtschaftskammer sagten trotzdem danke.
Dabei erinnern sich die Gastronomen allzu gut daran, dass die Bundesregierung, die jetzt den Retter der Gasthauskultur gibt, ihnen und vielen anderen Tourismusbetrieben seit der Zwangsschließung Mitte März die Entschädigungen nach dem Epidemiegesetz verwehrt. Eine solche Entschädigung müsste aus dem Bundesschatz bezahlt werden. Erst vor nicht einmal zwei Wochen sprach der Tiroler Gastronomie-Sprecher in der Wirtschaftskammer deshalb von einem „Anschlag auf die Gastronomie“, nachdem der Corona-Krisenstab der Regierung der Branche vor den Latz geknallt hatte, dass sie Vergütungen des Verdienstausfalls nach dem Epidemiegesetz in den Wind schreiben kann. Weil im Prinzip eben die Corona-Gesetze gelten würden. Tausende Betriebe, nicht nur in Tirol, gehen jetzt gegen diese Einschätzung der Bundesregierung gerichtlich vor. Schließlich ist es schwer nachvollziehbar, warum seit März Gesetze und Verordnungen erlassen wurden, die das Vergütungsschema aus dem Epidemiegesetz, das genau für solche Seuchen vorgesehen ist, zum Nachteil der Betriebe aushebeln. Diese Interpretation findet sich nun ganz eindeutig und druckfrisch in zwei neuen Gutachten Wiener Experten.
Mit diversen juristischen Winkelzügen im Zuge der Corona-Krise wurde somit das Vertrauen in das Rechtssystem Stück für Stück untergraben. Gelten bestehende Gesetze auch dann, wenn es hart auf hart kommt? Worauf kann man sich verlassen? Was hat nicht nur am Papier Bestand? Was wird beim nächsten Anlass wieder über Bord geworfen? So ein Vertrauensverlust wiegt leider ebenso schwer wie sämtliche Milliardenpakete, die seit den Corona-Zwangsschließungen präsentiert wurden.

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