TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 11. April 2020 von Alois Vahrner „Blamage mit Milliarden-Paket verhindert“

Innsbruck (OTS) Nach viel Hängen und Würgen sowie gegenseitigen Unfreundlichkeiten haben sich die EU-Finanzminister in der Corona-Krise doch noch zu einem 500-Milliarden-Hilfspaket durchringen können. Der Elchtest steht aber erst bevor.

Europa ist, obwohl es auch da durch fehlende politische Reformkraft seit Jahren vor allem gegenüber Asien an Boden verliert, noch immer ein absolutes wirtschaftliches Schwergewicht. Politisch, darüber besteht freilich kein Zweifel, ist die EU wegen ihrer Uneinigkeit eher ein Leichtgewicht – und ist bei den verschiedenen Kraftproben von USA, China und Russland meist nur leidtragender Zaungast. Wen er denn anrufen sollte, wenn er mit Europa reden will, wusste schon vor Jahrzehnten der legendäre US-Außenminister Henry Kissinger nicht. Daran hat sich leider nichts geändert, mit dem EU-Austritt der Briten hat sich dies sogar noch verschlechtert.
Dass im mühsamen, oft genug auch mit Erpressungsversuchen geführten Ränkespiel der 27 EU-Länder meist nur der kleinstmögliche Kompromiss herauskommt, ist gelernte Tatsache. Die aktuelle Corona-Pandemie freilich hat der ohnehin durch nationale Egoismen immer wieder ramponierten europäischen Idee wirklich schweren Schaden zugefügt. Grenzbalken sind überall fast lückenlos hochgezogen, im Kampf gegen das zunächst von allen unterschätzte Virus haben sich die Mitgliedsländer allesamt eingeigelt. Jeder kämpft auf eigene Faust, zuweilen wurde anderen EU-Partnern selbst die Lieferung wichtiger Schutzausrüstung versagt. Die EU spielte im Corona-Kampf lange überhaupt keine Rolle. Teils, weil Brüssel etwa im Gesundheitsbereich kaum Kompetenzen hat, teils aber auch, weil man wie paralysiert zugesehen hat, wie EU-Grundfreiheiten vorerst abgeschafft wurden. Und bis heute etwa wurde die De-facto-Ausschaltung der Demokratie in Ungarn nur halbherzig kommentiert.
Viel Porzellan zerschlagen wurde auch im gegenseitigen Umgang verschiedener EU-Länder. Dass nach der Corona-Krise Europa hoffentlich gemeinsam wieder in Gang gebracht wird, daran sollte eigentlich kein Zweifel bestehen. Aber wie einst schon in der Euro-Krise gibt es einen tiefen Riss zwischen dem reicheren Norden (etwa Deutschland, Holland und Österreich) und den von der Pandemie noch weit stärker betroffenen Südländern wie Italien und Spanien. Mit der Einigung der EU-Finanzminister auf ein Hilfspaket von rund 500 Mrd. Euro wurde eine drohende Eskalation vorerst abgewendet. Ob Corona-Bonds oder „Wiederaufbaufonds“: Egal wie das Kind dann heißen wird, diese Frage steht weiter auf dem Tapet. Es ist nicht nur eine Frage dazu, wie die gigantischen Corona-Folgen bewältigt werden, sondern auch dazu, ob die EU nicht rasch an sich selbst zerbricht.

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