TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 10. November 2018 von Peter Nindler „Zeitlose Mahnung“

Innsbruck (OTS) Wird die Gesellschaft bewusst manipuliert und gespalten, folgt meist eine Radikalisierung. Die Nazi-Gräuel kamen nicht über Nacht, sondern in Schritten. Deshalb braucht es für das „Nie wieder“ nicht nur Worte, sondern einen aktiven Zusammenhalt.

Gedenken kann bedrückend und zugleich erdrückend sein. Denn heute wissen wir mehr denn je: Fünf Jahre nach der Machtergreifung der Nazis in Deutschland und wenige Monate nach der Auslöschung Österreichs nahm die mörderische Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 bereits das vorweg, was noch kommen sollte. Deshalb macht die industrialisierte Vernichtung von sechs Millionen Juden nach wie vor ohnmächtig, diese menschliche Grausamkeit bleibt kaum fassbar. Die zu Nummern gedemütigten Juden, aber auch Andersdenkende wurden von ihren zu Tätern gewordenen Mit-Menschen ermordet, vergast und in den Krematorien endgültig ausgelöscht. Umso größer ist heute die Verantwortung für die von Innsbrucks Bischof Hermann Glettler als „Herandenken“ bezeichnete Erinnerung.
Es gab nämlich ein Davor. Der Holocaust ereignete sich nicht von heute auf morgen, sondern er vollzog sich in kleinen und gro­ßen Schritten; vom jahrelang geschürten Antisemitismus, über manipulierte Propaganda (gegen das Fremde und die anderen) bis hin zum Beschluss in der Wannsee-Konferenz 1942, die „Judenfrage“ einer „Endlösung“ zuzuführen. Der beinahe schon als inflationär empfundene Appell, dass sich das nie mehr wiederholen darf, geht demzufolge in notwendiger Zeitlosigkeit auf.
Beim Israel-Besuch mit dem evangelischen Superintendenten Olivier Dantine, dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Günter Lieder und Bischof Glettler war die Botschaft des Landes vor dem Pogromgedenken primär keine politische, sondern eine gesellschaftliche. Schließlich braucht es stets ein Miteinander der Politik mit den Religionsgemeinschaften, um auf Spaltung abzielende Tendenzen in der Bevölkerung nicht aufkeimen zu lassen und notfalls dagegen aufzutreten. Auch gegen eine radikalisierte und verletzende Sprache als bedrohliches Einfallstor für spätere Gewalt. Unabhängig von der Alltagspolitik auf Ebene inhaltlicher Auseinandersetzungen steht gerade Landeshauptmann Günther Platter für diesen gesellschaftlichen Grundkonsens im Land. Aktuelle Migrationsfragen, soziale und wirtschaftliche Herausforderungen oder Integration lassen sich nicht einfach mit Symbolen und Botschaften bewältigen. Aber schwierige Lösungen werden einfacher, wenn ein- und nicht ausgegrenzt wird. Und man Haltung zeigt. Nicht nur anlässlich von 80 Jahre Pogromnacht. Das gelingt nicht nur der schwarz-grünen Regierung, sondern in der Regel auch allgemein der Tiroler Politik sowie den Konfessionen und Institutionen. Ein unschätzbarer Wert – gerade heute.

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