Tiroler Tageszeitung, Leitartikel vom 10. Dezember 2022. Von Mario Zenhäusern: „Veto schadet Österreich“.

Innsbruck (OTS) Die Argumentationslinie von Innenminister Karner beim Nein zum Schengenbeitritt Rumäniens und Bulgariens ist nicht nachvollziehbar. Vor allem ändert seine Haltung nichts an den tatsächlich existierenden Problemen mit der illegalen Migration.

Das kategorische Njet des österreichischen Innenministers Gerhard Karner (ÖVP) gegen die Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in den Schengenraum sorgt für heftige Diskussionen im In- und Ausland. Vor allem die Begründung stößt vielen sauer auf: Karner hatte bei der Sitzung in Brüssel mit der hohen Zahl an Asylwerbern in Österreich argumentiert und den Schutz der europäischen Außengrenze gefordert, damit „die Zahl der illegalen Migranten drastisch und nachhaltig sinkt“.
Österreich befindet sich wegen des – legalen und illegalen – Zustroms von Flüchtlingen und Migranten tatsächlich in einer schwierigen Situation. Noch immer ringen Bund und Länder um die gerechte Verteilung der Asylwerber, und täglich kommen neue Aufgriffe dazu. Die Sorge des Innenministers um die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher ist angesichts dieser Fakten also zumindest teilweise nachzuvollziehen.
Wie aber die illegale Migration im Süden Österreichs (hauptsächlich betroffen ist die burgenländisch-ungarische Grenze) mit dem Schengenbeitritt Bulgariens und Rumäniens zusammenhängen soll, erschließt sich aus Karners Argumentationslinie nicht. Würden beide Problemfelder zusammenhängen, müsste Österreich erstens auch gegen den Beitritts Kroatiens auftreten – was Karner bekanntlich nicht tat – und zweitens endlich einmal Klartext mit dem ungarischen Machthaber Viktor Orbán reden. Der nämlich unternimmt wenig bis gar nichts, um die Flüchtlingswelle, die durch sein Land Richtung Norden rollt, aufzuhalten. Die Reaktion der heimischen Innenpolitik auf diese offensichtliche Missachtung jeglicher Grundregeln der europäischen Flüchtlingspolitik beschränkte sich bisher auf „freundschaftliche Besuche“ von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in Budapest.
Der Schluss liegt nahe, dass Karner mit seiner unnachgiebigen Haltung in Brüssel einzig das Ziel verfolgt, die ÖVP rechtzeitig vor den Landtagswahlen in Niederösterreich als Partei zu positionieren, die sich um die Sicherheit der Menschen im Land bemüht. Der Preis dafür ist ein hoher: die Torpedierung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Rumänien und Bulgarien, vor allem aber die Isolation Österreichs auf dem europäischen Parkett. Letzteres könnte sich bitter rächen – dann etwa, wenn die Bundesregierung im berechtigten Kampf gegen die illegale Migration an die Solidarität der EU-Staaten appelliert. Die war schon bisher inexistent. Und Alleingänge wie der Karners oder die fehlende kritische Distanz von Kanzler Nehammer zum notorischen EU-Skeptiker Viktor Orbán tragen nicht dazu bei, das nachhaltig zu verändern.

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