TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Samstag, 25. August 2018, von Mario Zenhäusern: „Asylpolitischer Mittelweg“

Innsbruck (OTS) „Ausländer raus“-Rufe haben noch nie ein Problem gelöst. Offene Grenzen für alle auch nicht. Es braucht eine Lösung zwischen diesen Extremen, sonst bleibt die EU auch in Zukunft erpressbar durch die Salvinis und Orbans dieser Welt.

Italien hält an seinem harten Kurs fest. Innenminister Matteo Salvini (Lega) weigert sich nach wie vor, Flüchtlinge an Land gehen zu lassen, und fordert die Europäische Union zum Handeln auf. Sollte es keine rasche Einigung im aktuellen Fall – es geht um rund 150 Personen, die im Hafen von Catania nach wie vor auf der „Diciotti“, einem Schiff der italienischen Küstenwache, festsitzen – geben, will Luigi di Maio (MoVimento 5 Stelle), der stellvertretende Ministerpräsident, die Zahlungen an die EU einstellen. Es geht um 20 Milliarden Euro.
Die Haltung der Italiener ist aus ihrer Sicht verständlich. Das Land wird seit Jahren von Flüchtlingen überrannt, ohne dass Europa nennenswerte Maßnahmen ergriffen hat, um eine faire Verteilung sowohl der legalen als auch der illegalen Migranten auf alle Mitgliedsstaaten zu gewährleisten. Trotzdem ist es nicht zu akzeptieren, dass wehrlose Flüchtlinge als Geiseln gehalten werden, um Europa zur ernsthaften Beschäftigung mit dem Problem zu zwingen. Nötig wäre eine Flüchtlingspolitik, die auf die berechtigten Sorgen und Ängste der Menschen in den am meisten betroffenen Ländern – das sind neben Italien, Griechenland und Spanien eben auch Öster­reich und Deutschland – eingeht; die unsere Gesellschaft nicht überfordert; die aber trotzdem human genug ist, um mit den europäischen Werten und (Menschen-)Rechten vereinbar zu sein. All das hat der zunehmende Nationalismus in vielen EU-Mitgliedsstaaten bis jetzt torpediert.
Vor allem die Jahre nach der großen Flüchtlingswelle von 2015 haben gezeigt, dass die viel zitierte „Willkommenskultur“ ebenso der falsche Weg ist wie die totale Abschottung. „Ausländer raus“-Rufe haben noch nie ein Problem gelöst. Offene Grenzen für alle auch nicht.
Es muss also einen Mittelweg geben zwischen diesen extremen Standpunkten. Einen Lösungsansatz, der auf drei grundlegenden Erkenntnissen basieren muss:
1) Nicht jeder, der nach Europa will, darf auch tatsächlich nach Europa.
2) Die legale Einwanderung von Flüchtlingen muss ebenso möglich sein wie ihre faire Aufteilung auf die einzelnen Staaten.
3) Die an den EU-Außengrenzen gestrandeten illegalen Migranten sollen ein faires, rasches Asylverfahren durchlaufen.
Die Voraussetzung für die Einhaltung dieser Mindeststandards zu schaffen, muss vorrangiges Ziel der EU-Mitgliedsstaaten sein. Sonst bleiben sie bis zum Sanktnimmerleinstag erpressbar durch die Salvinis und Orbans dieser Welt.

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