TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Samstag, 10. Februar 2018, von Mario Zenhäusern: „Dunkles Kapitel aufarbeiten“

Innsbruck (OTS) - Die neuen, offensichtlich mit Fakten unterlegten Anschuldigungen gegen Trainer und Funktionäre des ÖSV ermöglichen es allen Beteiligten, Licht in die aufklärungswürdigen Vorgänge zu bringen.

Keine Frage: Die weltweite #MeToo-Bewegung ist richtig und notwendig. Nicht nur, um sexuelle Verbrechen an Frauen aufzuklären und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Es geht vielmehr darum, das wahre Ausmaß von sexueller Belästigung aufzuzeigen, auf die unterschiedlichen, oft versteckten Formen aufmerksam zu machen und das Bewusstsein zu schärfen, was im Umgang zwischen den Geschlechtern erlaubt ist. Und was eben nicht. Davon können im Idealfall beide profitieren, Männer und Frauen.
Weltweit traten zum Teil absolute Topstars vor den Vorhang, berichteten von ihren degoutanten Erlebnissen mit Typen wie Harvey Weinstein und anderen, die seither am internationalen Pranger stehen. Die Frauen, darunter bekannte Protagonistinnen der US-Filmbranche, klagten Hunderte Fälle von sexueller Belästigung, Nötigung oder Vergewaltigung an. Das alles geschah – zum Leidwesen der Täter, aber natürlich auch der Opfer, die sich outen mussten – in aller Öffentlichkeit.
In Österreich schlug die #MeToo-Bewegung lange Zeit andere Wege ein. Eine Anhäufung von Vorwürfen, zum Teil anonym gegen Personen erhoben, die aber ebenfalls nicht namentlich genannt wurden, brachte ganze Berufsgruppen und den Sport selbst schwer in Verruf. Zudem trugen die Anschüttungen wenig bis gar nichts dazu bei, Licht in die aufklärungswürdigen Vorgänge der späten 60er- und 70er-Jahre zu bringen.
Mittlerweile haben die Vorwürfe eine neue Qualität erreicht. Erstmals werden Namen von Tätern genannt, erstmals liegen die Anschuldigungen in Form von eidesstattlichen Erklärungen vor. Das hat nichts mehr mit jener quotenschielenden Skandalisierung zu tun, die sich die meisten der bisherigen „Aufdecker“ vorwerfen lassen müssen. Im Gegensatz zur nahezu folgenlosen bisherigen Entwicklung in der Affäre rund um sexuelle Übergriffe auf Skisportlerinnen bieten die nun vorliegenden Fakten endlich Gelegenheit, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Und wenn stimmt, was die ehemaligen Sportlerinnen nun an Eides statt zu Bericht brachten, wird es nicht mehr ausreichen, sich hinter der Tatsache zu verstecken, dass die damals strafrechtlichen Tatbestände mittlerweile verjährt sind. Dann sind alle, allen voran der Österreichische Skiverband, aufgefordert, dieses dunkle Kapitel ordentlich aufzuarbeiten. Klar ist im Umkehrschluss aber auch, dass endlich Ruhe einkehren muss, sollten sich die Vorwürfe als haltlos erweisen.
Bis dahin gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung.

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