TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Salvinis Ablenkungsmanöver“, von Mario Zenhäusern

Ausgabe vom 18. August 2018

Innsbruck (OTS) Italiens Innenminister hat die Schuldigen für die Brückenkatastrophe von Genua ausgemacht: Autobahnbetreiber und EU seien verantwortlich. Für die Umsetzung von Sicherheitsauflagen ist aber einzig der italienische Staat zuständig.

Der Brückeneinsturz von Genua ist eine Katastrophe. Für die Unfallopfer, deren genaue Zahl noch immer nicht feststeht, und ihre Angehörigen. Für die direkt vom Einsturz betroffenen Menschen von Genua. Für die gesamte Region, der für die kommenden Monate eine der Hauptverkehrsadern fehlt. Und natürlich für den Autobahnbetreiber, die „Autostrade per l’Italia S.p.A.“. Obwohl die Frage nach der Ursache des Einsturzes der Morandi-Brücke erst nach genauen Untersuchungen beantwortet werden kann, sieht sich die Gesellschaft bereits jetzt heftigen Vorwürfen ausgesetzt. Die Kritik richtet sich nicht nur gegen die umstrittene Brückenkonstruktion und -bauweise, auch die Wartung des Bauwerks ist immer wieder Ziel heftiger Angriffe.
Die Verantwortlichen des Autobahnbetreibers weisen, wie nicht anders zu erwarten, alle Vorwürfe kategorisch zurück. Die öffentliche Meinung vermag das freilich nicht mehr umzustimmen. Die „Autostrade per l’Italia“ ist verantwortlich für das Inferno von Genua, basta. Als besonders eifriger Kritiker tut sich Italiens Innenminister Matteo Salvini hervor. Der Rechtspopulist stellte noch am Tag der Katastrophe die Frage nach den Schuldigen – und beantwortete sie auch gleich selbst: Hauptverantwortlich sei zwar der Autobahnbetreiber, eine Teilschuld trage aber auch die Europäische Union. Die strengen EU-Defizitregeln würden seiner Ansicht nach die Sicherheit seines Landes gefährden. Das ist geradezu grotesk. Wenn dem so wäre, müssten in ganz Europa die Brücken einstürzen. Außerdem hindert niemand in der EU den italienischen Staat daran, mit seinem Budget so hauszuhalten, dass die Sicherheit eben nicht darunter leidet.
Einen Tag später legte der Lega-Politiker noch ein Schäuferl nach. Der Autobahnbetreiber, der im Vorjahr Mauteinnahmen in der Höhe von 3,5 Milliarden Euro verbucht habe, solle „als Zeichen des guten Willens“ die Maut aussetzen. Das ist blanker Hohn: Als ob Geld den Tod der unschuldigen Opfer aufwiegen oder das unsagbare Leid der Betroffenen lindern könnte. Salvinis Forderung ist Populismus in Reinkultur und ein Ablenkungsmanöver allererster Güte: Der Polcevera-Viadukt, dessen Herzstück die Morandi-Brücke war, unterliegt nämlich besonderen Prüf- und Sicherheitsauflagen, weil er Teil des europäischen Fernstraßennetzes ist. Für die Umsetzung dieser Auflagen verantwortlich sind einzig und allein die italienischen Behörden. Salvini sollte also vor der eigenen Türe kehren.

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