TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Parallelschwung mit Risikofaktor“, von Wolfgang Sablatnig

Ausgabe vom Donnerstag, 2. Jänner 2020

Innsbruck (OTS) Die türkis-grüne Ministerliste zeigt, wie Sebastian Kurz und Werner Kogler ihr Koalitionsprojekt anlegen: Jeder Partner soll in seinem Bereich Punkte sammeln können. Spannend wird es, wenn diese Interessen über Kreuz geraten.

Sebastian Kurz überrascht mit den Besetzungen in seinem neuen Regierungsteam – und bleibt dennoch seiner Linie treu. Er geht von seinen Kernthemen nicht ab. Und er setzt wieder auf Personen, die er selbst ausgesucht hat. Der Vorteil für ihn: Diese sind ihm verpflichtet, nicht Bünden oder Landesparteien.
Beispiel Integration und Migration: Erstmals gibt es ein eigenes Integrationsministerium. Auch der grüne Partner gibt diesem Thema ja viel Gewicht. Ob die türkise Susanne Raab aber eine Ministerin nach dem Geschmack der Grünen ist? Sie hat als Expertin Gesetze mit vorbereitet, die von den Grünen abgelehnt wurden.
Untrennbar mit der Integration verbunden ist die Migration: Ins Innenministerium setzt Kurz mit Karl Nehammer einen Vertrauten, der für „law and order“ steht. Wie gefällt das den Grünen? Beispiel Familie und Arbeit: Wie schon bei der Regierungsbildung 2017 nominiert Kurz auch öffentlich weitgehend unbekannte Persönlichkeiten. Dies gilt für Raab. Dies gilt für die neue Familien- und Arbeitsministerin Christine Aschbacher. Beide sitzen in ideologisch umstrittenen Ressorts. Mit einer Schonfrist seitens der Opposition dürfen sie nicht rechnen. Auch beim Regierungspartner stehen sie wohl vom ersten Tag an unter Beobachtung.
Ein Signal setzt Kurz auch mit der Ernennung von Gerald Fleischmann zum Beauftragten für Medienpolitik. Fleischmann ist ein enger Vertrauter. Er ist viel, aber mit Sicherheit nicht grün-affin. Was bleibt also den Grünen? Eine Antwort wird heute das Regierungsprogramm liefern. Vorerst tröstet sich der kleinere Regierungspartner damit, dass die grünen Ministerien wie das Infrastruktur- und Umweltressort von Leonore Gewessler umfangreicher sind als die türkisen. Justizministerin Alma Zadic wird außerdem als rechtsstaatlicher Konterpart positioniert.
In der Startaufstellung folgt Türkis-Grün damit der Zwei-Firmen-Theorie: Jeder Partner kann jene Themen umsetzen, die ihm besonders am Herzen liegen – die Türkisen eben mehr, weil sie mehr Stimmen einbringen als die Grünen.
Ob die Zwei-Firmen-Theorie auch in der Praxis hält, wird sich zeigen, sobald die Innenpolitik nach Ibiza, Wahlkampf und Koalitionssuche wieder zu so etwas wie Normalität zurückkehrt. Tauglich ist das Modell, wenn es auch dann zu Lösungen führt, wenn die ersten unvorhergesehenen Probleme auftauchen und die parallelen Interessen von Türkis und Grün über Kreuz gehen.

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