TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Montag, 31. August 2020, von Peter Nindler: „Sozialpartner roden am Wohnen vorbei“

Innsbruck (OTS) Tirols Interessenvertreter wollen verstärkt Waldflächen für den Wohnbau zugänglich machen. Das ist nicht falsch, geht aber am Kern vom leistbaren Wohnen vorbei. Weil heiße Eisen wie die Baulandmobilisierung nicht angefasst werden.

Es ist ein durchsichtiges Manöver der Tiroler Sozialpartner, wenn sie in ihrem Forderungspapier zum leistbaren Wohnen die Verbauung von Waldflächen vorschlagen. Ja, das könnte tatsächlich ein Punkt sein, er ist aber sicher nicht der zentrale Lösungsansatz, um Wohnen in Tirol günstiger zu machen. Wo haben sich die sonst so wortgewaltigen Forderungen von Arbeiterkammerpräsident Erwin Zangerl nach einer Baulandmobilisierung versteckt? ÖGB-Vorsitzender Philip Wohlgemuth (SPÖ) verliert bei diesen Verrenkungen ebenfalls seine Glaubwürdigkeit: im Landtag sozialdemokratisch auf die Pauke hauen und in der Sozialpartnerschaft kleinlaut kuschen. Wohlgemuth muss Schwarz-Grün künftig sicher nicht mehr sagen, wo es beim Wohnen langgeht.
Die Mobilisierung von 3000 Hektar brachliegendem Bauland ist kein Thema, nicht einmal klar definierte Vorrangflächen für den geförderten Wohnbau werden vorgeschlagen. Aber gerade darum geht es. Dass Landwirtschafts- und Wirtschaftskammer sowie die Industriellenvereinigung große Vorbehalte gegenüber Maßnahmen zur Baulandaktivierung haben, weil sie mögliche Eingriffe ins Eigentum der Grundbesitzer grundsätzlich ablehnen, liegt auf der Hand. Wobei vor allem die Bauernkammer doppelbödig argumentiert, führt sie doch zugleich den Schutz von wertvollen landwirtschaftlichen Grundstücken ins Treffen. Wer will denn in Tirol Grünland gewidmet haben, um es dann zu veräußern?
Andererseits lassen die Sozialpartner die eigentlichen Problemzonen völlig außen vor. Sie befinden sich nicht in der Peripherie, sondern in den Ballungszentren wie Innsbruck. Weder Wald noch unproduktive Flächen gibt es dort in Hülle und Fülle. Vielmehr Leerstand und Wohnungsspekulation oder die Vermietung von Wohnraum über Buchungsplattformen wie Airbnb. Im Vorjahr wollte Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi (Grüne) Vorrangflächen für den sozialen Wohnbau ausweisen. Unabhängig davon, dass er es ungeschickt angegangen ist, haben sich vor allem Wirtschaft und Bauern dagegen ausgesprochen.
Geht es um die Bevorzugung von Wohnungssuchenden oder gemeinnützigen Bauträgern beim Immobilienerwerb, bleibt wiederum die Landesregierung bisher konkrete Lösungen schuldig. Hier müssten die Sozialpartner einhaken. Doch da driften die Meinungen völlig auseinander, weshalb sich die Interessenvertreter auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt haben: den Wald roden und dort „allgemein“ fürs Wohnen, Gewerbe und für die Industrie bauen.

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