TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Montag, 29. Mai 2017, von Peter Nindler: „Ausgelagerte Probleme“

Innsbruck (OTS) Mitten in der größten Flüchtlingswelle hat das Land Tirol die Flüchtlingskoordination in eine eigene Gesellschaft ausgelagert. Bis heute konnte diese aber nur reagieren, kaum agieren. Auch jetzt, obwohl die Zahl der Asylwerber sinkt.

Flüchtlingspolitik ist eine Gratwanderung. Kein Thema hat dermaßen polarisiert wie die Flüchtlings- und Asylkrise. Und keines wurde von rechten Populisten so weidlich und öffentlichkeitswirksam ausgenützt, um Ängste in der Bevölkerung zu schüren. Deshalb ging vielfach berechtigte Kritik an der österreichischen Flüchtlings- und Asylstrategie unter.
Wegen der Tausenden im Herbst 2015 ankommenden Flüchtlinge waren Politik und Flüchtlingsorganisationen überfordert. Das wirkt bis heute nach. Quartiere waren Mangelware, auch in Tirol. Obwohl das Land nicht einmal bei der aus heutiger Sicht geringen Anzahl von 1220 Asylwerbern im Jahr 2011 die Unterbringungsquote erfüllen konnte. Der damals zuständige SPÖ-Sozialreferent Gerhard Reheis brachte es gerade einmal auf 82 Prozent.
Die Ausgliederung der Flüchtlingkoordination in Tirol in eine eigene Landesgesellschaft fiel just in die Zeit der Flüchtlingswelle. Zum einen sollte mit privatwirtschaftlichen Strukturen zielgerichtet auf die Herausforderungen im Flüchtlingswesen reagiert, andererseits die Landesverwaltung davon operativ entlastet werden. Doch die neu gegründete Tiroler Soziale Dienste GmbH/TSD konnte ebenfalls nur reagieren – kaum agieren. Sie benötigte anfangs vor allem Personal, Quartiere und Geld. Der Quotendruck wurde immer größer, weil die Gemeinden im Vorfeld der Gemeinderatswahlen und aus Angst vor Bürgerprotesten nicht die erforderlichen Plätze bereitstellten. Differenzierte, aber auch pauschale Kritik wurden lauter; an der TSD und Sozialreferentin Christine Baur (Grüne). Wo blieb ihre neue Handschrift? Welchen Sinn machte die Privatisierung der Flüchtlingskoordination, wenn die Politik bei den Bürgermeistern weiter um Quartiere betteln und die TSD nur Krisenmanagement betreiben musste? Auch die Anschaffung der fünf Traglufthallen fällt in die Kategorie politische Verzweiflung.
Und heute? Es gibt derzeit um 800 Asylplätze zu viel, die TSD hat 360 Angestellte, die Traglufthallen blieben eingepackt bzw. stehen leer, die Flüchtlingszahlen gehen zurück, aber nicht die Kosten. Jetzt zieht die TSD wie jeder andere privatwirtschaftliche Betrieb Bilanz. Sinkt die Nachfrage, müssen Angebot, Personal und teure Quartiere reduziert werden. So funktioniert eben die Privatwirtschaft. Ob sich die schwarz-grüne Landesregierung und Christine Baur im Besonderen darüber bei der Auslagerung bewusst waren? Das holprige Krisenmanagement angesichts von finanziellen Engpässen und bevorstehenden Kündigungen lässt diesen Schluss kaum zu.

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