TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Montag, 2. Oktober 2017, von Karin Leitner: „Dreck, Heilige und Scheinheilige“

Innsbruck (OTS) Die SPÖ-Causa Silberstein ist das bis dato schlimmste – öffentlich bekannte – Dirty Campaigning in Österreich. Aber auch Vertreter anderer Parteien kennen Schmutzkübel nicht nur von der Baustelle.

Dass es in einem Wahlkampf nicht zugeht wie in einem Mädchenpensionat, ist nicht neu. Was die Bürger in diesem geliefert bekommen, übertrifft aber alles Bisherige. Es hat sich herausgestellt, dass hinter zwei Facebook-Seiten gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz – mit teils antisemitischen und rassistischen Kommentaren – ein Team des ehemaligen SPÖ-Beraters Tal Silberstein steht. Dirty Campaigning vom Übelsten.
Ein Mitarbeiter der Kanzlerpartei wusste von den ungustiösen Umtrieben. Und so hat Kampagnenleiter Georg Niedermühlbichler abgedankt. Dass es damit nicht getan ist, ist Parteichef Christian Kern bewusst. Eine rote Task-Force soll aufklären, wer hinter der Internet-Jauche steckt; und wer sie bezahlt hat. Kern beteuert ja, weder das eine noch das andere zu wissen. Eines hätte er aber sofort tun sollen: Sich öffentlich für die Sache entschuldigen. Dass er das unterlassen hat, verstärkt den Eindruck, Niedermühlbichler sei „Bauernopfer“ der Partei.
Bei aller Widerwärtigkeit und Einzigartigkeit dieser Causa – die Polit-Konkurrenten sollten es mit der Empörung nicht übertreiben. Auch sie sind keine Heiligen, erst recht nicht beim Stimmenfang. Schmutzkübel kennen Vertreter aller Parteien nicht nur von der Baustelle. Immer wieder wird Medien Material gegen Spitzenkandidaten anderer Couleur zugespielt. Je näher es zum Wahltag geht, desto mehr. Zum richtigen Zeitpunkt über die Bande spielen nennt sich das. Verstärkt wird die Wahlkampf-Amerikanisierung durch soziale Netzwerke. Via Fake-Accounts machen Glaubensbrüder Stimmung gegen andere. Was sich Politiker aus rechtlichen Gründen nicht laut sagen trauen, bringen anonyme Hintermänner über Twitter und Facebook unter die Leut’.
Zu Gülle wird gegriffen, nicht zum Argument. Ein Wettstreit der Ideen, der Konzepte? Debatten mit Tiefgang? Flammende Plädoyers für die eigene Sache? Wie langweilig, wie unsexy!
Dem anderen offen oder hinterrücks eine reinwürgen, das sei gefragt, scheinen Strategen zu meinen. Das komme an beim Publikum. Ein erbärmlicher Befund. Ein Schwäche-Attest. Parteien sollten überzeugen können – mit dem, was sie zu bieten haben. Mit dem, was sie gegen die anderen aufbieten, werden sie nicht punkten. Wähler-Würgreiz erzeugen sie, Verdruss über alles Politische. Räumt endlich eure Dreckschleudern weg!

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