TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Mittwoch, 14. Oktober 2020, von Peter Nindler: „Ischgl-Bericht deckt auf, nicht zu“

Innsbruck (OTS) Darf man angesichts der notwendigen Aufarbeitung von Fehlern beim Corona-Management in Tirol auch die Rolle des Gesundheitsministeriums hinterfragen? Natürlich, denn das Anschober-Ministerium war ebenfalls eine Schwachstelle.

Der Befund der Expertenkommission zu Ischgl ist eindeutig: Wäre das Infektionsgeschehen im Ort und vor allem in den Après-Ski-Lokalen richtig eingeschätzt worden, hätte die Wintersaison von den zuständigen Behörden schon früher beendet werden müssen. Für das Abreisechaos trägt hingegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (VP) mit seiner unkoordinierten Ankündigung der sofortigen Quarantäne für das Paznaun und St. Anton (Mit-)Verantwortung. Doch der Bericht der Rohrer-Kommission offenbart eine weitere, über die Defizite des Corona-Krisenmanagements in und für Tirol hinausgehende Schwachstelle.
Denn in der folgenschweren Woche vom 9. bis zum 15. März wusste das Gesundheitsministerium von Rudolf Anschober (Grüne) wohl selbst nicht genau, wie ihm geschieht. Das Land Tirol sei in seiner Verantwortung alleine dagestanden, heißt es etwa vom Leiter des staatlichen Krisenstabs Robert Stocker. Und: Es war nicht so, dass auf gesamtstaatlicher Ebene oder vom Gesundheitsministerium irgendetwas vorbereitet gewesen wäre. Es fehlte schlicht ein aktueller Pandemie-Plan. Diese Diagnose wird durch die vergangenen Wochen und Monate bestätigt. Das Gesundheitsminis­terium agiert meist hilflos, die Einführung der Corona-Warnampel ist beispielgebend dafür, wie mit dem Brustton der politischen Überzeugung, alles im Griff zu haben, das Gegenteil angerichtet wird: nämlich bundesweite Verunsicherung und Verwirrung.
Fachliche Fehleinschätzungen zu Ischgl sind das eine, die gilt es (politisch) aufzuarbeiten. Hier gibt es nichts zu beschönigen, aber – salopp gesagt – nichts ans Kreuz zu nageln. Ronald Rohrer und sein Team haben allerdings auch die Büchse der Pandora über die Rolle des Bundes geöffnet. Vom Gesundheitsminister kamen bisher nur spärliche Antworten, selbst der Expertenkommission ist es erst nach Wochen gelungen, einen informierten Vertreter auszumachen.
Wegducken geht jetzt nicht mehr, denn immer öfter wird das Verordnungschaos in Anschobers Ministerium gerügt. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger kritisiert etwa die „zunehmende Intransparenz“ im Corona-Management des Ministers. Da wird sie nicht so falsch liegen, wie die Vorgangsweise in Tirol beweist. Ischgl ist deshalb nicht nur Landes-, sondern freilich auch Bundessache. Tirols Gesundheits-LR Bernhard Tilg (VP) hat seine politische Verantwortung für den Vollzug des Epidemiegesetzes abgegeben, das Gesundheitsministerium diese offenbar nur unzulänglich wahrgenommen.

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